Vergiftetes Klima in der Polizei beklagt

Sonderdebatte im Thüringer Landtag zur Abhöraffäre

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Mehrzahl der Redner in dieser Sonderplenardebatte arbeitet sich eher aneinander ab als an der jahrelangen Mitschnittpraxis der Thüringer Polizei. Ganz anders als Rainer Kräuter. Ganz sicher, weil der Polizeigewerkschafter und heutige Landtagsabgeordnete der Linkspartei in Thüringen selbst unter dem gelitten hat, was er als ein vergiftetes Klima innerhalb der Landespolizei beschreibt.

Als der Landtag des Freistaates Thüringen am Mittwochnachmittag in Erfurt über die Anfang August aufgeflogene Abhöraffäre der Polizei debattiert, ist kein Redner so emotional wie Kräuter. »Denn wir müssen über das Vertrauensverhältnis innerhalb der Thüringer Landespolizei reden«, betont er. Das sei »Bestandteil des Zustandes von Missgunst und eines tiefen Vertrauensverlustes«. Es sei einzigartig in Deutschland, wie es innerhalb der Thüringer Polizei zugehe, sagt Kräuter. Einzigartig schlecht.

Kräuter war in der Vergangenheit immer wieder selbst in Konflikt mit der Polizeiführung und den internen Ermittlern der Landespolizei gekommen. Als beispielsweise im Zusammenhang mit dem Papst-Besuch in Erfurt im Jahr 2011 Polizeiunterlagen an die Öffentlichkeit gelangten, war Kräuter schnell ins Visier der eigenen Leute geraten - ebenso wie die beiden damaligen Landtagsabgeordneten der Linkspartei Katharina König und Martina Renner.

Kräuter bestreitet bis heute, die Unterlagen weitergegeben zu haben. Ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wurde schließlich eingestellt - was all die Spekulationen in der Thüringer Polizei über eine massenhafte Überwachung der eigenen Leute aber längst nicht beendet hat. Spekulationen, die sich nun zu bestätigen scheinen.

Der 1964 geborene Ostthüringer Rainer Kräuter darf deshalb als Sprachrohr vieler Beamter gelten, als er da am Rednerpult des Landtages steht und Sätze sagt, mit denen er die Mitschnittpraxis der Thüringer Polizei vor allem als ein Instrument zur Bespitzelung der eigenen Leute erklärt.

Angesichts der Tatsache, dass davon seit Ende der 1990er Jahre mutmaßlich auch Zehntausende Nichtpolizisten betroffen waren, mag das engstirnig klingen. Aber es ist doch auch ein Garant dafür, dass die Abhöraffäre sich kaum schnell erledigen wird. Zu viel Frust hat sich in den vergangenen Jahren bei Leuten wie Kräuter über die Zustände der Polizei aufgestaut; Frust, der mit dem Auffliegen der massenhaften Überwachung sowohl von ankommenden als auch abgehenden Nicht-Notruf-Telefongesprächen an Apparaten der Landespolizei nun ein Ventil gefunden hat.

Immerhin können solche Stimmen deshalb vielleicht ein bisschen dafür sorgen, dass die Debatte um die Affäre in den folgenden Wochen und Monaten nicht vollends im parteipolitischen Klein-Klein zu versinken droht - wie es während der Sondersitzung des Landtages über viele Minuten geschieht. Vor allem nämlich beschäftigen sich viele Abgeordneten da in ihren Reden damit zu erklären, warum genau ihre Fraktion angeblich Aufklärung in der Sache wolle, während die anderen doch mauerten.

Das Argument von Rot-Rot-Grün ist im Kern: Während der Abhörerei hat die CDU das Land regiert. Das Argument der CDU: Rot-Rot-Grün hat die Praxis auch weit mehr als ein Jahr lang nicht gestoppt. Um das Klima in der Polizei geht es bei solchen Kabbeleien eher am Rande.

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