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Ärmelkanal laut Frontex neue Hauptmigrationsroute in Europa

Immer mehr Menschen wagen die gefährliche Überfahrt nach Großbritannien

Vor einem Lager in Dover lagern Behörden kleine Boote und Außenbordmotoren, mit denen Menschen den Ärmelkanal überquerten.
Vor einem Lager in Dover lagern Behörden kleine Boote und Außenbordmotoren, mit denen Menschen den Ärmelkanal überquerten.

Entgegen dem allgemeinen Trend sinkender Migrationszahlen in die Europäische Union verzeichnet der Ärmelkanal einen Anstieg der Überfahrten. Das belegen Zahlen, die die EU-Grenzagentur Frontex vergangene Woche veröffentlicht hat. Mehr als 18 000 Menschen haben demnach in den ersten vier Monaten dieses Jahres versucht, die an einer Stelle nur 30 Kilometer schmale, aber wegen vieler Schiffsbewegungen gefährliche Meeresenge zu überqueren – im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein Anstieg von fünf Prozent.

Gleichzeitig ging auf sämtlichen anderen Migrationsrouten in die EU die Zahl der Grenzübertritte deutlich zurück. Damit ist der Ärmelkanal zur meistfrequentierten Migrationsroute geworden. Diesen Weg nach Großbritannien wählen hauptsächlich Menschen aus Eritrea, Afghanistan und Syrien.

Die Gruppe Calais Border Monitoring macht darauf aufmerksam, dass sich die vielen Ausreisen in Richtung Großbritannien in den Wintermonaten ereigneten – dies seien die höchsten je beobachteten Zahlen. Die britischen Behörden registrierten auch einen deutlich stärkeren Anstieg als Frontex: In den Monaten Januar bis April 2025 sind nach diesen Angaben 45 Prozent mehr Menschen auf Schlauchbooten in das Vereinigte Königreich gelangt als im Vorjahr.

Insgesamt beobachtete Frontex im Zeitraum von Januar bis April 2025 rund 47 000 irreguläre Grenzübertritte an den Außengrenzen der Union – ein Rückgang um 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auf der zentralen Mittelmeerroute, die lange als Hauptroute galt, war der Rückgang mit drei Prozent allerdings gering. Die westafrikanische Route zu den Kanarischen Inseln, die wegen ihrer langen Strecke und den Wetterbedingungen auf dem Atlantik ebenfalls äußerst gefährlich ist, wird um 34 Prozent weniger frequentiert.

Die Balkanroute, die in früheren Jahren immer wieder im Mittelpunkt europäischer Migrationsdebatten stand, verzeichnet mit einem Minus von 58 Prozent den stärksten Rückgang aller Routen. Ähnlich deutliche Abnahmen zeigen sich in Polen und Tschechien an der östlichen EU-Landgrenze (minus 37 Prozent) sowie auf der östlichen Mittelmeerroute in Griechenland (minus 30 Prozent).

Der für Migration zuständige EU-Kommissar Magnus Brunner wertet die Entwicklungen als Beleg für den Erfolg der gemeinsamen europäischen Politik. »Das zeigt, dass unsere Maßnahmen greifen, gerade auch das verstärkte Engagement mit Partnerländern außerhalb der EU«, meint der Österreicher.

Für die neue deutsche Bundesregierung stellen die jüngsten Zahlen unterdessen ein Problem dar. Grund ist, dass sie die aktuell verstärkten Kontrollen an den deutschen Grenzen unter anderem mit unzureichenden Fortschritten in der EU-Migrationspolitik erklärt. Außerdem zeigen die Frontex-Statistiken, dass nicht alle in der EU ankommenden Flüchtlinge auch dauerhaft dort bleiben wollen.

Nach Angaben der UN-Migrationsorganisation IOM verloren in den ersten vier Monaten dieses Jahres mindestens 555 Menschen ihr Leben, während sie versuchten, Europa per Boot zu erreichen. Im gesamten Jahr 2024 lag diese Zahl bei 2300. Die tatsächliche Zahl dürfte aber deutlich höher sein, da viele Bootsabfahrten und mithin Ertrunkene nicht registriert werden.  Mit Agenturen

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