Portugal: Weiter dezimierte Linke

Aus der Parlamentswahl in Portugal gehen regierende Konservative und Rechtsextreme gestärkt hervor

Portugals Ministerpräsident Luís Montenegro sieht sich durch den Wahlausgang bestätigt.
Portugals Ministerpräsident Luís Montenegro sieht sich durch den Wahlausgang bestätigt.

Bis zuletzt hielten sich Sprecher der Sozialisten (PS) an der Hoffnung fest, dass das Ergebnis besser ausfallen würde, als es die Prognosen vor der Wahl vorhergesagt hatten. Doch mit 23,4 Prozent und nur noch 58 statt 78 Abgeordneten in der 230 Sitze zählenden Assembleia da República erlebte die Partei, die sich mit der konservativen PSD seit Jahrzehnten an der Macht abwechselt, am Sonntag ein regelrechtes Debakel. Es ist das drittschlechteste Ergebnis der PS seit der Rückkehr Portugals zur Demokratie vor einem halben Jahrhundert. Ihr erst vor anderthalb Jahren ins Amt gewählter Generalsekretär Pedro Nuno Santos stellte noch am Wahlabend sein Amt zur Verfügung.

Gestärkt geht hingegen Ministerpräsident Luís Montenegro von der konservativen Sozialdemokratischen Partei (PSD) aus der vorgezogenen Neuwahl des Parlaments hervor. Seine Wahlkoalition mit der Rechtspartei CDS-PP, Aliança Democrática (AD), die vor einem Jahr nur hauchdünn vor den Sozialisten lag, gewann knapp vier hinzu und kam auf 32,7 Prozent. Mit 89 Abgeordneten bliebe eine erneute Mitte-rechts-Minderheitsregierung auf die Unterstützung aus anderen politischen Lagern angewiesen.

Weiter fortgesetzt hat sich der steile Aufstieg der rechtsextremen Partei Chega von André Ventura. Mit 22,6 Prozent liegt sie nun fast gleichauf mit den Sozialisten als zweitstärkster Kraft und hat wie diese 58 Mandate sicher, neun mehr als bisher. Allerdings könnte dieser Gleichstand durch die Stimmen der Portugiesen, die im Ausland gewählt haben, nur vorübergehend sein. Die Vergabe von fünf Mandaten wird erst mit dem endgültigen Endergebnis feststehen. »Heute können wir sagen, dass es mit der Zweiparteienherrschaft in Portugal vorbei ist«, feierte Ventura den weiteren Zuwachs für seine Partei.

Chega punktet mit rassistischen Parolen und Kritik an den korrupten Eliten, verdammt Portugals Weg seit der Nelkenrevolution 1974 und strebt gleichzeitig nach Anschluss an das konservative Lager. Erst vor drei Jahren war die Partei von einer unbedeutenden zur drittstärksten Kraft aufgestiegen und konnte 2024 ihren Stimmenanteil mit 18,1 Prozent fast verdoppeln. Am Wahlabend erneuerte Ventura die Bereitschaft seiner Partei zu einem formalen Bündnis mit der AD von Montenegro. Dieser hatte nach der vergangenen Wahl an seinem Nein zu einer Koalition mit dem rechten Rand auf nationaler Ebene festgehalten. Unterhalb dieser wird allerdings vielerorts längst keine Distanz mehr zwischen diesen Kräften gehalten. Mit der Betonung von »Recht und Ordnung« und der Kriminalisierung migrantischer Milieus wirbt auch AD um das Chega zuneigende Spektrum.

Die zweite vorgezogene Neuwahl in Folge bildete den vorläufigen Schlusspunkt einer Phase politischer Turbulenzen in der Politik Portugals. Montenegro hatte den Weg dorthin durch die Inkaufnahme einer gescheiterten Vertrauensfrage im Parlament im März nach Vorwürfen zu möglichen Interessenskonflikten im Zusammenhang mit dem Familienunternehmen Spinumviva selbst mitgeebnet und warb für Kontinuität. Ende 2023 hatte sich die seit 2015 mit António Costa regierende PS durch dessen überstürzten Rücktritt nach fragwürdigen Korruptionsvorwürfen selbst demontiert und bei den Wahlen im März 2024 eine erste bittere Quittung erhalten.

Hinter den nun drei großen Fraktionen im neuen Parlament folgen mit weitem Abstand die marktradikale Liberale Initiative (IL) mit neun Abgeordneten (plus eins) und die grüne Pro-EU-Partei Livre, die 4,2 Prozent der Stimmen erhielt und als einzige Kraft aus dem linken Spektrum hinzugewinnen konnte. Sie steigert sich um zwei Mandate und stellt nun sechs Abgeordnete.

Rückschläge mussten hingegen der Linksblock (BE) und das kommunistisch geführte Wahlbündnis CDU hinnehmen. Eine reale Chance auf Parlamentssitze haben sie nach dem Wahlsystem ohnehin nur in bevölkerungsstarken Wahlkreisen wie Lissabon oder Porto, auf die viele Mandate entfallen. Für BE sitzt künftig nur noch dessen Koordinatorin Mariana Mortágua in der Assembleia da República, vier Sitze verlor die Partei. Mortágua spricht von einer »großen Niederlage für die Linke«. »Es ist wichtig, dass wir diese Niederlage mit aller Demut und unumwunden anerkennen.« Die Kommunisten, die mit drei erneut ein Prozent mehr als der BE erhielten, sind ebenfalls weiter national vertreten. Allerdings verloren sie eines von vier Mandaten.

Wahlsieger Luís Montenegro, dessen AD auch mit den Liberalen keine Mehrheit im Parlament hat, wird erneut Farbe bekennen müssen, wie er es mit Chega hält.

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