Erdogans Quarantäne
Roland Etzel zur Charme-Offensive des türkischen Präsidenten
Der türkische Präsident Erdogan scheint irritiert. Anders als es sein tägliches Quantum Kraftmeierei vermuten lässt, setzt bei ihm offenbar allmählich Nachdenken darüber ein, wie Ankara seinen momentanen Status einer politischen Quarantänestation loswerden könnte. Seit jenem ominösen Putschversuch vor fünf Wochen, vor allem aber dem danach einsetzenden Rachefeldzug Erdogans gegen Zehntausende missliebige Personen wird die türkische Hauptstadt von höchstrangigen Staatsbesuchern wie ein Tollwutsperrgebiet behandelt.
Das überrascht, wohl auch Erdogan, denn dass die Verbündeten gute Beziehungen zur Türkei jemals von deren Einhaltung demokratischer Mindeststandards abhängig gemacht hätten, kann niemand behaupten. Es auch dieses Mal so zu halten, hat er ihnen aber mit seinen cholerischen Rundumschlägen reichlich schwer gemacht.
Gar nicht überraschend ist, dass der abrupte Wechsel von der Schimpf- zur Schmeichelkanonade von Erdogan zuerst an Deutschland exekutiert wird. Mit Erfolg. Zwar schickt auch die Bundeskanzlerin vorerst nur Minister nach Ankara, aber ihre Erklärung, »ein gutes Verhältnis ist einem angespannten vorzuziehen«, ist nach Erdogans Unverschämtheiten einiges mehr, als dieser erwarten durfte. Schlimmer noch. Für Merkel wäre es Gelegenheit gewesen, der erneuten Brüskierung des Bundestages durch die türkische Regierung etwas entgegen zu setzen. Man muss dies allerdings auch wollen.
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