Die Revolution per (Dash-)Knopfdruck
Sieben Tage, sieben Nächte: Regina Stötzel über das Hin und Her zwischen Technikfreunden und -feinden
Kleiner Knopf, große Debatte: Nicht wenige in der Redaktion haben dieser Tage zum ersten Mal vom sogenannten Dash-Knopf gehört, der nun in Deutschland auf den Markt kommt. Es handelt sich um eine Art daumengroßes Funkgerät, das nichts anderes kann als eine bestimmte Menge eines bestimmten Produktes beim Allesbringer Amazon zu bestellen. Neben der Waschmaschine angebracht, drückt man drauf, wenn das Waschmittel leer ist. In der Vorratskammer sorgt eines für frisches Hundefutter; im Schlafzimmer ein anderes für Nachschub an Kondomen - am nächsten Tag.
Sogleich tat sie sich wieder auf, die Kluft, wenn nicht gar der Canyon zwischen Technikfeinden und Technikfreunden unter den Kollegen. Bei den einen führte schon die Erwähnung von Amazon zu unkontrollierten Gesichtsverzerrungen, die Vorstellung einer solchen freiwilligen Produktbindung zu sichtbarem Ganzkörperbeben und die böse Ahnung, was die Konzernunterwelt mit dem harmlos aussehenden Knöpfchen sonst noch anstellen könnte (Kontrolle, Gängelung, Seelenverkauf) zu noch immer andauernder Übelkeit.
Derweil sahen sich die anderen, auf deren Gesichtern sich seliges Lächeln breitmachte, in einem Schlaraffenland, in dem die Lieblingsgetränke ohn› Unterlass fließen. Sie selbst liegen dort bei guter Lektüre in der Sonne oder jetten fröhlich durch den Weltraum, während bedienungsfreundliche Roboter - die wahren Freunde und Helfer - das Hundefutter besorgen, in der Redaktion die Zeitung herstellen, noch flottere Flugobjekte basteln, zum Zahnarzt gehen und den Dreck wegmachen.
Ist der Dash-Knopf also ein kleiner, aber konsequenter Schritt zur totalen Versklavung des Menschen mit Hilfe von selbstgeschaffenen Maschinen oder schlicht kein Grund zur Aufregung, weil man das Knöpfchen gar nicht kaufen muss, aber andere Innovationen absehbar sind, die die Lebensqualität enorm erhöhen werden?
Zukunftsprognosen und Szenarien gibt es für beide Fraktionen im Überfluss: Hier die Vernichtung von Millionen Arbeitsplätzen durch Maschinen, Verarmung der Massen, verschärfte globale Konkurrenz, Krieg und Untergang; da Hunderttausende neue, attraktive Arbeitsplätze, gesteigerte Produktivität, Umverteilung, Freizeit, Wohlstand und Frieden für alle.
Und so wird sie weitergehen, die Debatte darüber, wer in 20, 50 oder 100 Jahren das Sagen hat, welches Potenzial und welche Gefahren die Industrie 4.0 in sich birgt, ob schon der Hosenknopf ein Holzweg war oder bald die Revolution per Knopfdruck lieferbar ist. Wappnen Sie sich mit Fakten und Fiktionen und gehen Sie die Sache mit der Zukunft beherzt an - herrschaftskritisch und dialektisch! Regina Stötzel
Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen
Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.