Nach Incirlik, hinter der Schamgrenze
Roland Etzel zu einem diplomatischen Erfolg der Bundesregierung - während die Kurden bombardiert werden
Die Genugtuung war mit Händen zu greifen. Regierungsvertreter und auch Grüne strahlen, weil der türkische Präsident gnädig Ja gesagt hat zum Besuchsverlangen deutscher Bundestagsabgeordneter auf der türkischen Basis in Incirlik. Doch auch wenn man die Zufriedenheit in Berlin nach Erdogans Antwort teilen kann, so ändert das nichts daran, dass bereits die Frage falsch war. Denn was ist, bei Lichte besehen, nun eigentlich erreicht?
Wem ist geholfen, wenn eine Handvoll gekränkter CDU- und SPD-Abgeordnete im Oktober für ein paar Stunden dort Frontnähe spüren darf, wo Völker aufeinander schlagen? Werden die deutschen Abgeordneten ein wenig mit den türkischen Gastgebern über den gemeinsamen Kampf gegen den internationalen Terror schwadronieren, ohne auch nur mit einem Wort darauf einzugehen, dass nur wenige Dutzend Kilometer von Incirlik entfernt der türkische Staat gegenüber den türkische Kurden selbst als Terrorist auftritt?
Aber selbst wenn die deutschen Vertreter in jener türkischen Gretchenfrage über ihren Schatten sprängen – verböte sich nicht die Visite jetzt sowieso wegen des beschämenden Preises dafür? Grünen-Chef Özdemir erklärt, die Armenien-Resolution und der Zugang deutscher Abgeordneter nach Incirlik hätten miteinander nichts zu tun. Abgeordnete, die das für scheinheilig halten, es aber mit Armenien ernst meinten, sollten auf Incirlik verzichten.
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