Entwicklungshilfe für Deutschland

Terre des hommes und Welthungerhilfe sehen Nachholbedarf bei der Politik der Bundesregierung

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 2 Min.

»Auch Deutschland ist ein Entwicklungsland!« Die Aussage von Albert Recknagel überrascht nur auf den ersten Blick. In Bezug auf die 2015 von der UN-Vollversammlung verabschiedete Agenda 2030 ist die Aussage des Vorstandssprechers von Terre des hommes zweifellos berechtigt: Deutschland hat viel Nachholbedarf, um einen seiner Größe und wirtschaftlichen Stärke angemessenen Beitrag zu leisten, dass der blaue Planet zukunftsfähig wird. »Weiter so führt direkt in die Katastrophe«, sagt Recknagel mit Verweis auf den ökologischen Fußabdruck Deutschlands, der weit über dem liegt, was mit einer nachhaltigen Entwicklung auf einem begrenzten Planeten vereinbar ist.

Verbunden ist die Agenda 2030 auch mit dem Umstand, dass »niemand zurückgelassen werden darf«, wie es der UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ausdrückte.

Ban Ki Moons Formel »Leave no one behind« ist der Titel der 24. Ausgabe des Berichts zur »Wirklichkeit der deutschen Entwicklungspolitik«, den die beiden Hilfsorganisationen Welthungerhilfe und Terre des hommes jährlich als konstruktiv-kritische Bestandsaufnahme herausgeben. 2016 in einem neuen, kompakteren Format und zu einem mit Bedacht gewählten früheren Zeitpunkt: passend zur Generalaussprache über die Politik der Regierung und der ersten Lesung zum Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) am Mittwochabend. Schließlich sollen in einer Zeit, in der Bundeskanzlerin Angela Merkel die Botschaft verkündet, man werde »sehr viel mehr Geld für Entwicklungspolitik« bereitstellen müssen, die Haushaltspolitiker prägnante Informationen zu Hand haben, wohin dieses Geld laut der entwicklungspolitischen Experten vorzugsweise fließen sollte und wohin nicht.

Till Wahnbaeck, Vorstandsvorsitzender der Welthungerhilfe, hat dazu klare Vorstellungen: Gerade die besonders armen Gruppen, die bisher nicht von Entwicklungsinitiativen erreicht wurden, sollten stärker in den Blickpunkt der deutschen Entwicklungspolitik gerückt werden. »Deutschland darf die ärmsten Staaten nicht vergessen und muss seine Hilfe aufstocken. Stattdessen ist seit 2010 der Anteil der Entwicklungshilfe für die bedürftigsten Länder von 28 auf 23 Prozent gesunken«, kritisierte er am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung des Berichtes.

Insgesamt zeigt die Tendenz beim BMZ-Haushalt nach oben: Betrug er 2013 noch 6,3 Milliarden Euro, so ist er auf knapp 7,5 Milliarden in diesem Jahr angewachsen und steht nun mit 7,99 Milliarden im Plan. Allerdings ist einer der größten Empfänger von Entwicklungshilfe Deutschland selber: 2,7 Milliarden Euro - das ist die Summe, die aus dem BMZ-Etat 2015 für die Flüchtlingskrise aufgewandt wurde. Wahnbaeck mahnte eine saubere Trennung der Mittel an. »Weiter so« ist keine Option, heißt es im Bericht. Das gilt für Entwicklungs- und Regierungspolitik gleichermaßen.

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