Komplexer Fernbahnverkehr

Die GDL hält nichts von den Gedankenspielen des DB-Chefs zum autonomen Fahren

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) möchte als Interessensvertretung des Zugpersonals nicht nur für höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und tarifliche Rechte der Mitglieder streiten. Man wolle sich auch »massiv und kompetent für die zukunftsfähige Ausgestaltung des Schienenverkehrs engagieren«, meint GDL-Vorsitzende Claus Weselsky. Aus diesem Grunde lud seine Gewerkschaft Verkehrspolitiker der im Bundestag vertretenen Parteien sowie von Verkehrsverbänden und Schienenverkehrsunternehmen dieser Tage zu einem »parlamentarischen Abend« in einem Berliner Hotel. Ausgerechnet die Deutsche Bahn AG glänzte durch Abwesenheit.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Verkehrsministerium, Enak Ferlemann (CDU), mühte sich nach Kräften, die Anstrengungen der Bundesregierung für die Weiterentwicklung des Schienenverkehrs zu würdigen. Man habe im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans die Investitionen in die Infrastruktur wie auch die Regionalisierungsmittel, mit denen die Bundesländer ihre Regionalverkehre finanzieren, erhöht und verstetigt, so Ferlemann. Auch verfolge man energisch das Ziel, die Akzeptanz für den Ausbau des Schienengüterverkehrs durch flächendeckende Lärmschutzmaßnahmen zu erhöhen.

Doch der GDL und vielen Verkehrsverbänden reicht das nicht. Weselsky verwies auf den desaströsen Zustand der Infrastruktur, die durch Kapazitätsengpässe, Langsamfahrstellen sowie marode Brücken und Tunnel gekennzeichnet sei. Die angekündigten wirtschaftlichen »Sanierungsmaßnahmen« des bundeseigenen Konzerns ließen befürchten, dass sich dies fortsetze. Die GDL möchte alle Infrastrukturbereiche wie Netz, Stationen, Energie und Werkstätten in einer gemeinnützigen Gesellschaft zusammenführen, die vom Bund finanziert und von der Gewinnorientierung des Bahn-Konzerns befreit wird.

Entgeistert zeigte sich Weselsky angesichts der jüngsten Auftritte von Bahnchef Rüdiger Grube. Dieser hatte angekündigt, dass bereits in zehn Jahren ein Großteil der Züge autonom fahren könnte, also ohne Lokführer. Dies seien »Latrinenparolen«, die dazu führten, dass kaum noch jemand den Beruf des Lokführers erlernen wolle, obwohl schon jetzt ein eklatanter Fachkräftemangel herrsche, so der GDL-Chef.

Auch Hans Leister, Präsident des Branchenverbandes mofair, verwies Grubes Digitalisierungspläne ins Reich der Fabel. Anders als bei Stadtbahnen sei der Schienenverkehr auf freier Strecke viel zu komplex, um ihn flächendeckend führerlos abwickeln zu können. Zwar gäbe es bereits die Möglichkeit, den Fahrbetrieb durch digitale Zugbeeinflussungssysteme weitgehend und perspektivisch auch vollumfänglich zu automatisieren. Doch die Eisenbahn fahre anders als die Stadtbahnen »über Land«, also auch in schwer zugänglichen Abschnitten wie Tunnel, Brücken, Wald und großen Gleisanlagen. Im Störungs- oder Notfall sei ein schneller Eingriff von außen oft ebenso wenig möglich wie die sichere »Selbstrettung« der Passagiere. Beides seien zwingende Voraussetzungen für einen führerlosen Verkehrsbetrieb. Daher müsse auf unabsehbare Zeit qualifiziertes Personal an Bord sein, um im Störungsfall manuell eingreifen zu können. Anstatt über das fahrerlose Fahren zu diskutieren, sollten alle Anstrengungen darauf gelegt werden, »dem Triebfahrzeugführer das Leben zu erleichtern und die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Bahnbetriebs zu verbessern«, so Leister.

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