Eine Querfront gegen den Freihandel?

Forscher haben Teilnehmer der TTIP-Demo 2015 nach ihren Motiven gefragt

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.

Immer wieder unterstellen konservative und wirtschaftsliberale Kolumnisten, dass sich Linke und Rechte gegen TTIP verbünden. Doch was ist dran an dieser Behauptung?

Die »Wirtschaftswoche« kommentierte am Freitag mit Blick auf die TTIP-Gegner von links und rechts: »Die einen sind gegen Freihandel, die anderen wollen, dass sich Deutschland stärker abschottet.« Bildet sich hier eine Querfront gegen den Freihandel? Denn auch die rechtspopulistische AfD lehnt das Abkommen »unter den derzeitigen Rahmenbedingungen« ab und ermuntert ihre Anhänger via Facebook, beim Protest gegen CETA und TTIP Flagge zu zeigen. Doch die Organisatoren und Unterstützer der Großdemonstrationen erklärten bereits, dass sie mit diesen Globalisierungsgegnern nichts zu tun haben wollen. »Die Freihandelskritik von rechts stützt sich auf völkisch-nationalistische Motive und damit auf Ausgrenzung und Abwertung von anderen, anstatt auf Solidarität zwischen Menschen«, heißt es im Demonstrationsaufruf des Bündnisses.

Doch stimmt es, was TTIP-Befürworter behaupten? Kommen viele Gegner tatsächlich aus dem rechtsnational-völkischen Lager? Das Institut für Protest- und Bewegungsforschung, ein Netzwerk von 90 Sozialwissenschaftlern, führte dazu ausführliche Befragungen am Rande der Demonstration gegen TTIP und CETA am 10. Oktober 2015 durch. Am Freitag präsentierten die Wissenschaftler die Ergebnisse. Und siehe da: Unter den 500 Teilnehmern, die sich an der Befragung beteiligten, war kaum einer aus dem rechten Lager. Nach Parteipräferenzen gefragt, optierten mehr als 46 Prozent für die LINKE, rund 39 Prozent für die Grünen, 5,8 Prozent für die SPD und 4,3 Prozent für die Piraten. Erst danach folgte die AfD mit drei Prozent. Eine Person gab an, die NPD wählen zu wollen.

Generell zeige die Befragung, so Sabrina Zajak von der Ruhr-Universität Bochum, dass sich die Teilnehmer überwiegend »links von der Mitte« positionierten. Der Protestforscher Simon Teune von der TU Berlin konstatierte: »Die TTIP-Demonstranten sind weder Querfront, noch bilden sie den Querschnitt ab.« Eine Anspielung auf den Befund, dass »das Bildungsniveau der TTIP-Demonstrierenden weit über dem bundesdeutschen Durchschnitt« liegt. 60 Prozent der Befragten verfügten über einen Hochschulabschluss, der Bundesschnitt liegt bei rund 16 Prozent. Auch lag das Alter der Demonstranten mit 47 Jahren etwas über dem deutschen Mittelwert von 42,8 Jahren.

Beim Blick auf die Motive der Demonstranten zeigt sich, dass es ihnen nicht um Abschottung oder gar Volkstümelei ging. Negative Folgen von TTIP fürchteten die Befragten vor allem für die Bereiche Machtkontrolle, Demokratie, die gerechte globale Wirtschaftsordnung und den Umweltschutz. Der Umweltschutz führt auch die Liste der Themen an, für die sich die Demonstranten bereits politisch engagiert hatten. Mehr als 55 Prozent gaben an, hier aktiv geworden zu sein. Dicht gefolgt von den Themen Frieden und Flüchtlingspolitik. Die nationale Identität war nur für zwei Prozent der Befragten ein Grund, sich politisch zu engagieren.

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