Bunter Protest gegen CETA-TTIP

Eindrücke von den Demonstrationen in Köln, Berlin und Wien

  • Sebastian Weiermann, Susanne Schwarz und Hannes Hofbauer
  • Lesedauer: 5 Min.

Trecker in Köln

Andrea vom Kölner Demonstrationsbündnis gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA ist sehr zufrieden: Fast doppelt so viele Menschen wie angenommen habe man mobilisiert, fasst sie am Samstagnachmittag zusammen. Die Polizei muss die Route zweimal verlängern, damit sich Hin- und Rückweg nicht in die Quere kommen.

Rund 55 000 sind zum Protest am Rhein gekommen. Es ist ein bunter Zug: Angeführt wird er von Milchbauern und ihren Traktoren. Auf den Anhängern stehen schwarz-rot-goldene Plastikkühe mit der Aufschrift: »Die faire Milch«. Die Bauern fordern eine »gesellschaftsverträgliche Landwirtschaft« und lebendige regionale Wirtschaftskreisläufe. Sie stellen sich gegen die »Globale Ausbeutung von Mensch, Tier und Nation«.

Auf dem Weg Richtung Innenstadt sind die unterschiedlichsten Mittel des Protestes zu sehen. Ein Demonstrant trägt ein Buch mit sieben Siegeln auf dem Kopf. Auch ein Trojanisches Pferd mit der Aufschrift »TTIP & CETA« ist zu sehen. Die Gestalter wollen darauf hinweisen, dass man bei Geheimabkommen nicht wisse, was am Ende herauskomme. Im Zweifel seien es, wie in Troja, feindliche Soldaten.

Eine andere Kritik hat Katharina aus Bonn. Auf ihrem Schild steht »TTIP tötet Tiere«. In Deutschland gebe es schon faktisch keine Tierrechte, sagt die 22-jährige Veganerin. Und mit TTIP werde es noch schlimmer. Benny aus Bochum, Aktivist der Linksjugend Solid, kritisiert, dass die Abkommen in Hinterzimmern verhandelt werden. Ein paar Meter vor der Linksjugend läuft ein kommunistischer Block. Hier hält man sich nicht mit Detailkritik auf und fordert den Kampf »Klasse gegen Klasse«. Im Block der LINKEN versucht man derweil zu reimen: »Von Kölle bis Kreta, wir haben was gegen CETA!« und »Von Kölle bis Athen, wir wollen TTIP sterben sehen!«

Am Ende des Demozugs wird gegen TTIP & CETA getanzt. Hier hat sich Jung und Alt versammelt, die Kritik ist etwas indifferent: »Mehr Scheiße für alle - TTIP«, steht auf einem Schild.

Politprominenz in Berlin

In Berlin sind vorübergehend die äußeren Umstände bestimmend: Kurz nach halb zwölf, die Kundgebung soll gerade beginnen, ist die für die Protestierenden abgesperrte Fläche nahe dem Alexanderplatz so gut wie leer. Es schüttet. Wenig später wird der Regen schwächer - Menschen strömen aus Hauseingängen, Läden, Bushaltestellen. Es zeigt sich, dass viele, sehr viele gekommen sind.

Organisator ist das Bündnis »CETA & TTIP stoppen - für einen gerechten Welthandel«. Umwelt- und Verbrauchergruppen, Globalisierungskritiker, Gewerkschaften und Landwirte, sie alle befürchten, dass die Freihandelsverträge internationalen Konzernen zu viel Macht geben, dass Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutzstandards aufgeweicht werden. Im Mittelpunkt steht CETA, denn das Abkommen zwischen der EU und Kanada ist schon fertig verhandelt und soll jetzt ratifiziert werden. Außerdem gilt CETA als Blaupause für den Vertrag TTIP mit den USA.

Das Bündnis hat je einen Vertreter der Bundestagsparteien als Redner geladen. Die Sozialdemokraten kommen auf vielen Transparenten sonst nicht gut weg, weil Wirtschaftsminister und Parteichef Sigmar Gabriel CETA durchboxen und auf dem SPD-Konvent am Montag bewerben will. »Ich habe im Parteivorstand als einziger gegen CETA gestimmt, aber auf dem Konvent werde ich nicht mehr allein sein«, sagt Jan Stöß. Auch Gabriele Gaßner, Vizechefin der CDU-Arbeitnehmerschaft, hofft, ihre Parteibasis mobilisieren zu können. Klar ist es bei den Grünen: Ihre Partei lehne CETA und TTIP »ganz entschieden ab«, ruft Grünen-Chefin Simone Peter unter Applaus ins Mikrofon. »Wir wollen keine intransparenten Verhandlungen, keine undemokratischen Ergebnisse«. Die Grünen, an zehn Landesregierungen beteiligt, würden CETA im Bundesrat blockieren, sagt sie. Dietmar Bartsch, Ko-Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag verspricht, auch seine Partei werde die Abkommen ablehnen.

Michael Müller, Chef des Umweltverbands Naturfreunde, spricht ein Thema an, das die Protestler beschäftigt, seit auf der Demo im vergangenen Jahr Pegida und AfD auftauchten. »Gegen Nationalismus verwehren wir uns«, ruft er. Damit habe die Demonstration »nichts am Hut«.

Auf Protestschildern lassen viele wissen, dass sie das genau so sehen. Auf dem Marsch vom Alex zur Warschauer Straße im Ortsteil Friedrichshain und an der Spree entlang wieder zurück treten rechte Gruppen nicht offen auf, auch wenn einige Mitglieder via Twitter ihre Teilnahme angekündigt hatten.

Zurück auf dem Alexanderplatz - wie sonst nur selten stimmen die Teilnehmerschätzungen von Polizei und Veranstaltern überein: 70 000 haben sich gegen die umstrittenen Freihandelsabkommen und für einen fairen Welthandel ausgesprochen.

Breite Mehrheit in Wien

5000 kommen am Samstag in der Wiener Innenstadt zusammen - unter Losungen wie »Schluss mit dem geCETA« und »Mitbestimmung für alle statt Profite für wenige«. Auch hier hat sich ein breites Bündnis zusammengefunden. Auf zwei Bühnen kommen RednerInnen von Attac, Global 2000, der Sozialistischen Jugend, der Katholischen Frauenbewegung, des Gewerkschafts- sowie des Bauernbundes zu Wort. Mit dem Bürgermeister von St. Pölten (SPÖ) und der Vizebürgermeisterin von Wien (Grüne) finden auch Parteikader aus der zweiten Reihe den Weg auf die Tribüne.

Laut einer EU-weiten Umfrage ist die freihandelskritische Mehrheit in Österreich (70 Prozent) noch größer als in Deutschland (59 Prozent). Hier gibt es Unterstützung von höchster Stelle. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) lehnt die Freihandelsverträge in der vorliegenden Form ab. Auch das bereits ausverhandelte Abkommen mit Kanada ist für ihn nicht unterschriftsreif. Deshalb hat Kern eine Befragung der 200 000 SPÖ-Mitglieder zu CETA veranlasst, deren Ergebnis am Dienstag veröffentlicht werden soll. Eine Ablehnung gilt als sicher.

Kommunisten und Grüne finden sich seit Jahren in lokalen Komitees gegen das Geheimabkommen TTIP. Einzig der grüne Präsidentschaftskandidat Alexander van der Bellen hat lange und den Druck der Basis gebraucht, bis er sein Ja zurückgenommen hat. Die rechtspopulistische FPÖ läuft gegen TTIP und CETA Sturm, war aber nicht Teil der Aktionseinheit vom Samstag. Die konservative ÖVP hält noch die Freihandelsfahne hoch, doch auch dort bröckelt die Zustimmung, wie die Teilnahme von katholischen Frauen und ÖVP-Bauernvertretern an der Demonstration zeigt.

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