Kläglicher UN-Gipfel

Viele Flüchtlingsfragen bleiben weiter unbeantwortet / Amnesty International: Leid der Menschen auf »schockierende Weise missachtet«

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit einer neuen, einer »New Yorker Erklärung« zum besseren Umgang mit Migranten hoffen die Vereinten Nationen auf einen weltweiten Pakt, um das Schicksal von 65 Millionen Flüchtlingen erträglicher zu machen - im Jahr 2018. Das ist das klägliche Ergebnis des ersten Sondergipfels der Weltorganisation zu diesem brennenden Problem. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon lobte die rechtlich nicht bindenden 25 Seiten, auf die sich die 193 Mitgliedsstaaten einigen konnten, am Montag zwar als »Durchbruch«; doch schon die Meldungen am Tag danach zeigen, dass die Realität ganz andere Maßnahmen erfordert.

Beispiel »Moria«. Nach dem Feuer im heillos überfüllten Flüchtlingslager spitzt sich die Lage auf der griechischen Insel Lesbos weiter zu. Der sogenannte Hotspot wurde von verzweifelten Bewohnern in Brand gesetzt und ist zu mehr als 60 Prozent zerstört. Über 3000 Menschen wurden obdachlos. Viele hätten sich auf der Insel versteckt, um einer möglichen Abschiebung in die Türkei zu entgehen, so griechische Medien am Dienstag. Manche kämen inzwischen auch zurück. Doch die Situation könne jederzeit wieder eskalieren, warnt Bürgermeister Spyros Galinos.

Die Situation der Flüchtlinge verschlechtert sich auch im nordfranzösischen Calais. Im Lager dort, wegen seiner schlechten hygienischen Zustände berüchtigt, soll nach Angaben von Hilfsorganisationen die Zahl der Bewohner die 10 000er-Marke überschritten haben; 1000 Flüchtlinge mehr als im Vormonat. Paris hat die Lagerschließung zwar angekündigt, konkrete Lösungen fehlen aber auch hier. Es sei denn, man rechnet den Bau einer neuen Mauer um den »Dschungel« dazu.

Und der Zustrom von Flüchtlingen hält an, selbst wenn es mit über 300 000 seit Anfang des Jahres auf der Mittelmeer-Route deutlich weniger gewesen seien als 2015, wie das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) in Genf mitteilte. 3211 Menschen starben bei dem Versuch, über das Meer Europa zu erreichen. Das wiederum sind erheblich mehr als im Vorjahr, und damit drohe 2016 »zum tödlichsten Jahr im Mittelmeer« zu werden, so UNHCR-Sprecher William Spindler.

Die Antwort ist eine 25-seitige, von Kompromissen auf kleinstem Nenner getragene Absichtserklärung. Das Leid der Flüchtlinge sei in New York auf »schockierende Weise missachtet«, worden, klagt deshalb die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Viele Staaten konterkarierten ihre hochfliegenden Ziele in der Praxis, kritisieren die »Ärzte ohne Grenzen«. Die Hilfsorganisation CARE erwartete am Dienstag wenigstens vom Folgegipfel des US-Präsidenten Barack Obama am Abend konkrete Zusagen. Vor allem die Entwicklungsländer, die fast 90 Prozent aller Flüchtlinge weltweit aufgenommen haben, brauchten dringend Unterstützung. Doch viele europäische Staaten bedienen sich aus ihren Entwicklungshilfebudgets, um die Versorgung von Flüchtlingen im Inland zu finanzieren, hat ein Report der Lobbyorganisation One enthüllt. 20 Milliarden Dollar (17,9 Mrd. Euro) würden benötigt, um das Überleben der weltweit 65 Millionen Flüchtlinge zu sichern, hieß es auf dem UN-Gipfel; nur acht Milliarden stehen bislang zur Verfügung.

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