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An Träumen keine Tapeten

Blatt für Losansky

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 3 Min.

Coccatuttibana. Klingt sehr exotisch und ist es auch. Afrika. Dort lebt Asina mit den 21 Zöpfen. Ein DDR-Matrose bringt ihr ein Geschenk: einen Schneemann. Der sorgt als blinder Passagier für Unruhe auf dem Schiff, er ist natürlich nicht äquatortauglich und wird am Ende weiterfahren (müssen) ins Eismeer. Die schönsten Geschenke sind eben manchmal jene, die man traurigen Herzens und doch beglückt weitergibt. Liebe als Weltumrundung. Das war es, was in dem Film »Ein Schneemann für Afrika« steckte, einer Geschichte von Christa Kozik. Regie: Rolf Losansky.

Alles beginnt in Käsebrot, führt nach Butterberg und endet beim bösen, diebischen Zauberer Sassafraß. Es ist eine Fahndung, eine Jagd, ein Kriminalfall. Denn jener kleine Vogel verschwand, der die Kinder eines Heimes jeden Morgen so lieblich weckte. Vielleicht entscheiden ja die ersten Töne, die uns in der frühester Frühe treffen, über unsere Entscheidung, in diesem Tag zu bleiben, so, als sagte man: Ich bleib im Leben! Das war es, nämlich die unverzichtbare Melodie der Freundlichkeit, was in dem Film »Die Suche nach dem wunderbunten Vögelchen« steckte, nach einem Buch von Franz Fühmann.

Du wirst nicht erst. Nein, du bist! Und dies bedarf keiner Rechtfertigung durch nachgewiesene Nützlichkeit. Du lebst weit vor dem, was deine Leistungen über dich sagen. Das war es, was in dem Film über den neunjährigen »Moritz in der Litfaßsäule« steckte, der ebenfalls eine Geschichte von Christa Kozik ins Kino brachte.

Rolf Losansky drehte viele DEFA-Filme gegen die Lehre, dass aus Kindern (erst noch) etwas werden müsse. Seine Filme zogen, weil sie nicht erzogen. Er blickte zu Kindern auf, indem er nicht auf sie herabsah. Er nahm ihnen die Tapeten von den Träumen. In der DDR galt der Satz, die Familie sei die kleinste Zelle der Gesellschaft. Nein, sie ist die kleinste und überhaupt nicht groß genug zu wertende Gegenwelt in jeder Gesellschaft. Jeder Mensch erfährt im Laufe seines Lebens: Er ist unwichtiger, als er glaubt. Aber einem Kind Gutes tun, heißt: ihm diese Wahrheit so lange wie möglich vorenthalten; nicht trickreich, sondern liebevoll. Davon erzählte dieser Regisseur. Filmtitel wie »Verdammt, ich bin erwachsen« oder »Euch werd ich’s zeigen« offenbarten Losanskys Kunst, Lust auf Leben zu entfachen. Als sei dies das schönste Motto: Jeden Irrtum mit dem nächsten überlistend, schlüpfen wir dem Schicksal durch die Maschen. Fang beizeiten an mit der Treue zu dir selber!

In den auch im Ausland populären Kinder- und Jugendfilmen des 1931 in Frankfurt an der Oder Geborenen hatte die Wirklichkeit mitunter nur begrenzten Zutritt, dann, wenn Tiere sprachen oder Fantasiegestalten ihr Leben ausbreiteten. Aber was heißt hier: Wirklichkeit? »Das Wunderbare am Fantastischen ist, dass das Fantastische ja gar nicht existiert - denn alles ist wirklich« (André Breton). Vor einigen Tagen nun ist Rolf Losansky 85-jährig in Potsdam verstorben.

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