Digitale Spaltung

Smarte Worte 7: Das Internet vernetzt, vermittelt Wissen und demokratisiert - aber nur, wenn alle Menschen auch wirklich Zugang dazu haben

  • Lesedauer: 3 Min.

Das Internet vernetzt, vermittelt Wissen und demokratisiert, so die allgemeine Argumentation. Jede und jeder könne sich unabhängig von der realen Person im Cyberspace an einem unermesslichen Wissensschatz bedienen. Was diese Überlegungen außer Acht lassen, ist, dass es in Zeiten der Wissensgesellschaft durchaus Menschen gibt, die keinen Zugang zu Informationstechnologie haben, vor allem keine Möglichkeit das Internet zu nutzen. Hier spricht man von einer digitalen Spaltung oder Kluft zwischen denen die online und denen die offline sind - im englischen häufig auch als »digital divide« und »digital inequality« bezeichnet.

Theorien zur Digitalen Spaltung stehen in der Tradition der Wissensklufthypothese. Diese geht davon aus, dass Wissensunterschiede zwischen Bevölkerungsgruppen – Trennlinien können regional, ökonomisch, auf Grund des Geschlechtes, Alters oder der Bildung verlaufen – durch massenmediale Informationsmöglichkeiten und deren spezifische Nutzung verstärkt werden, sodass Chancenungleichheiten weiter ausgebaut werden.

Ein Ausbau der Netzinfrastruktur hat dazu geführt, dass es in vielen westlichen Ländern seit einigen Jahren immer weniger Menschen ohne Internetanschluss gibt. Fast 80 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren waren laut ARD-ZDF-Onlinestudie im Jahr 2015 regelmäßig online. Begünstigt wird dies durch gesunkene Kosten für die Internetnutzung und einfachere Bedienung. Natürlich ist das nicht überall so. Laut Bericht der Breitbandkommission der Vereinten Nationen hatten in Mali im Jahr 2015 nur 6,7 Prozent aller Haushalte einen Internetanschluss, in Afghanistan nur 2,7 Prozent. Diese Trennung zwischen Personen, die Zugang zum Internet haben und solchen ohne, ist die erste Ebene. Eine zweite hingegen verläuft zwischen den Personen, die das verfügbare Wissen für sich nutzbar machen können, also Fähigkeiten im Umgang mit dem Internet haben oder nicht. Unterschiede bestehen aber auch hinsichtlich der Geschwindigkeit mit der Daten übertragen werden, bei den Preisen, die dafür verlangt werden und bei möglichen Schranken, die das Internet kontrollieren und die Freiheit einschränken.

Im Bereich des Infrastrukturausbaus in armen Regionen drängen seit einigen Jahren privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen mit ihren Interessen. Zum Beispiel die Initiativen »loon for all« von google oder »internet.org« von facebook. Mittels solarbetriebener Drohnen oder Gasballons wollen sie (ihr) Internet dort hinbringen, wo es bisher nicht ist. Ihre Argumente: Internet bringe Bildung, könne die Gesundheitsvorsorge verbessern, Teilhabe am globalen Markt ermöglichen oder Wetterdaten zur produktiveren Landwirtschaft in abgelegene Regionen liefern.

Tatsächlich beinhalten viele dieser Projekte aber nur ein »Schmalspurinternet«: Einige von den Anbietern ausgewählte Websites können kostenlos genutzt werden, für Dienste außerhalb dieses Bereichs werden jedoch Gebühren erhoben oder die Geschwindigkeit der Datenübertragung wird eingeschränkt. Insofern bleibt diese privatwirtschaftliche Initiative ein zweischneidiges Schwert. Grundsätzlich – so wird häufig gesagt – sei der digital divide nicht das prioritärste Problem in extrem armen Regionen, gemessen an existentiellen Krisen wie Bürgerkriege, Hungersnöte, Aids, etc. pp. Jedoch kann der Zugang zum Internet ein Mittel sein, Informationen zu erhalten und zu verbreiten. Die Chance auf Teilhabe und Sichtbarkeit sowohl im lokalen als auch globalen Maßstab sinkt daher noch mehr, wenn die digitale Kluft nicht kleiner wird. (md)

Zum Weiterlesen:

Bericht der Breitbandkommission der Vereinten Nationen 2015
38 Minuten Viedovortrag von Nicole Zillen (Soziologin, Uni Trier)

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