»Ein Dokument unsäglicher Taten«

Neuer Missbrauchsskandal an hessischer Schule dokumentiert - Darmstädter Lehrer missbrauchte jahrzehntelang Kinder und niemand schritt ein

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Darmstadt. Wieder ein Missbrauchsskandal an einer Schule in Hessen - und wieder wird er erst Jahre später bekannt. Nach der Odenwaldschule geht es nun um massenhafte Übergriffe an der Elly-Heuss-Knapp-Schule in Darmstadt. Einem Gutachten zufolge hat ein Lehrer dort mindestens 35 Schüler sexuell missbraucht - alles Jungen, »oft täglich in mehreren Fällen«. Der Mann wurde 2005 auch schon für 15 Fälle zu vier Jahren Haft verurteilt und verstarb während dieser Zeit. Das gesamte Ausmaß seiner Taten wird aber erst jetzt bekannt. Im Fall der Odenwaldschule wird von mindestens 132 Opfern ausgegangen.

»Das macht wütend, das macht sprachlos«, sagt Manuel Lösel. Der Staatssekretär vertritt am Donnerstag im Kultusministerium in Wiesbaden Minister Alexander Lorz (CDU) bei der Vorstellung der Analyse. Der Bericht sei »ein Dokument unsäglicher Taten«. Lösel entschuldigt sich ausdrücklich für die »Institution Schule« bei den Opfern - und verspricht jedem 10 000 Euro, als »symbolisches Schmerzensgeld«. Bis zum Jahresende sollen zudem alle Schulen im Land Informationen erhalten, wie sexueller Missbrauch verhindert werden kann.

Den Bericht über den Darmstädter Fall haben - im Auftrag von Lorz - zwei Juristinnen erstellt: die Wiesbadener Rechtsanwältin Claudia Burgsmüller und die ehemalige Präsidentin des Oberlandesgerichts Frankfurt, Brigitte Tilmann. Sie haben auch schon den Missbrauch an der Odenwaldschule dokumentiert.

Der Darmstädter Lehrer habe 33 Jahre lang - von 1961 bis 1994 - eine »perfide Manipulationsstrategie« betrieben, sagt Burgsmüller. »Seine Persönlichkeit zeigte einen unglaublichen Narzissmus.« Er sei sogar Vertrauenslehrer gewesen. Wirklich durchgegriffen habe an der Schule niemand, auch nicht die Staatsanwaltschaft Darmstadt. »Die Kinder wurden als unglaubhaft angesehen.«

»Nach diesem Bericht werden sich noch weitere Opfer an uns wenden«, sagt Burgsmüller. Zu rechnen sei noch mit einer »weitaus höheren Zahl von Opfern«. Die Odenwaldschule war nach dem Aufdecken des Missbrauchs vor sechs Jahren nicht mehr zu Ruhe gekommen. Die zahlenden Internatsschüler blieben weg, Geldprobleme häuften sich, es kam zur Insolvenz. dpa/nd

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