Die Kaffeekanne - eine aussterbende Spezies

Das Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf zeigt die Designgeschichte des Kaffeetrinkens in der DDR

  • Steffi Bey
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist eine kleine aber feine Sonderausstellung im modernen Museumsbau, mitten im alten Dorf Marzahn. Und obwohl nur zur offiziellen Eröffnung echter Kaffeeduft in der Luft lag, wird den Besuchern beim Anblick der vielen Gedecke warm ums Herz, weil sich der Museumsgast plötzlich an Vieles aus längst vergangenen Zeiten erinnert. »Genauso ein Geschirr hatten wir auch«, sagt eine Frau im mittleren Alter und zeigt auf eine braune Steingutkanne. Dass es für dieses Design 1986 sogar eine Auszeichnung gab, steht auf einer der vielen Tafeln, die an der Wand hängen.

Fünf breite Vitrinen stehen hier, bestückt mit Kaffeegeschirr aus den 1950er bis 1980er Jahren. Zu sehen ist unter anderem eine filigrane, blau-weiß-gestreifte Schokoladenkanne. Auf einer anderen Etage steht das einst typische Hotelgeschirr »Rationell«. Der Name war Programm: Die 1969/1970 entworfene Form war einfach und überaus praktisch, weil leicht zu stapeln. »Damals gefiel mir das gar nicht«, erinnert sich die Besucherin Heike Brunske. »Jetzt finde ich es toll und irgendwie hip.«

Ausgestellt sind ebenso rundliche, robuste Kannen mit langen oder ganz kurzen Schnuten sowie spitz zulaufenden oder zwiebelförmig aussehenden Deckeln.

Iris Krömling vom Bezirksmuseum hat die Schau zusammengestellt. Mehrere Male besuchte sie den Architekten Richard Anger in Waldesruh. Der Rentner, der nach dem Mauerfall das DDR-Design entdeckte, hat inzwischen ein eigenes Depot mit einem reichhaltigen Fundus. Er habe sich an das Museum gewandt und vorgeschlagen, »etwas aus seinen zusammengetragenen Schätzen auszustellen«, sagt Anger. Er sagt, dass es ihm um »gutes Design« geht. In einem Brief an das Bezirksmuseum schrieb er: »Mein Sammlungsschwerpunkt ist die Dokumentation der gestalterischen Leistung von DDR-Designern in ihrem politischen und kulturellen Umfeld.« Für jedes seiner Sammlerstücke fertigt er Objektkarten an, vermerkt den Gestalter, die Produktionsstätte, das Material und die Jahreszahl.

Krömling wühlte sich durch das umfangreiche Angebot und kam dabei auf die Idee, Kaffeegeschirr zu zeigen. Außer den »schönen, zeitlosen Exponaten«, wie sie die rund 150 Stücke nennt, bietet die Ausstellung Informationen zu Produktdesignern sowie eine kleine Geschichte des Kaffeekonsums in der DDR.

Wohl kaum ein anderes Konsumgut war damals so in aller Munde wie Kaffee. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Kaffeebohne in der sowjetischen Besatzungszone Mangelware. Deshalb fuhren viele Ostdeutsche nach Westdeutschland und kauften dort »West-Kaffee«. Auf einer Ausstellungstafel steht: »In den Läden der 1948 gegründeten Handelsorganisation (HO) wurde Kaffee in sehr geringen Mengen bereits 1949 verkauft. Der Beginn der offiziellen Versorgung mit Bohnenkaffee in der DDR durch Importe kann aber erst auf das Jahr 1951 datiert werden.«

Auch über neue Kaffeesorten oder spezielle Mischungen, die bei den meisten nicht gut ankamen, berichtet die Ausstellung.

Über Jahrzehnte war Kaffee ein Getränk, an dem man die Lebensqualität maß und zunächst nur sonn- und feiertags genoss. Die Bohnen wurden mit der hölzernen Handmühle gemahlen, nach dem Filtern kam die Kanne auf den Tisch. In den vergangenen Jahren habe sich die Kaffeezeremonie grundlegend gewandelt, sagt Krömling. »Erfindungen machten Altbewährtes überflüssig, neue Zubereitungsarten setzten sich durch.« Eine Vitrine widmet sich deshalb ganz der Kaffeekanne. »Die gehört nun mal zu einer aussterbenden Spezies«, sagt Krömling und lächelt.

»Von besonderem Geschmack. Kaffee-DDR-Design«, Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf, Haus 2, Alt-Marzahn 55, Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 11 bis 17 Uhr, Sonntag, 11 bis 17 Uhr.

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