Unter Drogen 93 Stunden auf der Autobahn

Lkw-Fahrer saß fast vier Tage ohne Pause am Steuer

  • Reimar Paul, Göttingen
  • Lesedauer: 2 Min.

Das ist rekordverdächtig: Die Polizei hat am Wochenende im Landkreis Göttingen einen Lkw-Fahrer aus dem Verkehr gezogen, der offenbar 93 Stunden ununterbrochen am Steuer saß. Der 23-Jährige stand dabei unter Drogen. Um die extreme Lenkzeitüberschreitung - zulässig sind viereinhalb Stunden am Stück - zu vertuschen, setzte der Mann mehrere Fahrerkarten von anderen Personen ein, mindestens eine davon hatte er zuvor gestohlen.

Der Sattelzug war am frühen Sonnabendmorgen auf der A 7 nahe der Kleinstadt Hann. Münden von der Fahrbahn abgekommen und hatte dabei 15 Felder der Außenschutzplanke beschädigt. Der Fahrer fuhr jedoch einfach weiter. Er habe die Autobahn an der nächsten Anschlussstelle verlassen und ein Industrie- und Gewerbegebiet angesteuert, sagte ein Polizeisprecher. Dort stellte er das Fahrzeug ab und informierte seinen Chef im nordhessischen Landkreis Kassel. Der 30-jährige Arbeitgeber erschien auf dem Parkplatz und meldete als angeblicher Fahrer den Unfall der Polizei. Der unter Drogeneinfluss stehende 23-Jährige, der aus Beverungen in Nordrhein-Westfalen stammt, fuhr unterdessen mit dem Firmenwagen des Chefs nach Hause.

Als die Beamten den Unfall aufnahmen und dabei auch den digitalen Fahrtenschreiber des Sattelschleppers auslasen, ergaben sich laut Polizei »erhebliche Ungereimtheiten und Widersprüche, die in weiterführende Ermittlungen mündeten«. Nachdem sich Arbeitgeber immer mehr in Widersprüche verwickelt habe, sei letztlich der ganze Schwindel aufgeflogen. Auf Veranlassung des Chefs habe sich daraufhin der eigentliche Fahrer - noch immer unter Drogen stehend - mit dem Firmenwagen erneut zum Kontrollort begeben.

Bei einer Überprüfung seiner Fahrtüchtigkeit zeigte sich, dass der Mann starke Ausfallerscheinungen hatte. Ein Drogenvortest reagierte positiv auf Amphetamine. Dem Fahrer wurde eine Blutprobe entnommen und sein Führerschein beschlagnahmt. Weitere Untersuchungen ergaben, dass er einem Verwandten die Fahrerkarte gestohlen hatte und diese zur Vertuschung von Lenkzeitüberschreitungen seit mindestens Ende August einsetzte. Zudem bestehe der Verdacht, dass er auch zeitweise die Karte des Arbeitgebers nutzte, wie der Polizeisprecher weiter sagte.

Die Polizei hat gegen beide Männer mehrere Strafverfahren eingeleitet - u. a. wegen Lenkzeitüberschreitung, Diebstahl und erlaubtem Drogenkonsum - und einen ausführlicher Bericht an das Gewerbeaufsichtsamt angekündigt. Die Höhe des bei dem Unfall entstandenen Schadens beläuft sich auf rund 21 000 Euro.

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