In Schmölln starb die Empathie

Robert D. Meyer über die Reaktionen auf den Suizid eines Geflüchteten

  • Lesedauer: 1 Min.

Als die Polizei am Sonntag erklärte, entgegen den ersten Darstellungen des Schmöllner Bürgermeisters sei nicht sicher, ob Schaulustige einen minderjährigen Geflüchteten vor seinem tödlichen Suizidversuch aufforderten, aus dem Fenster zu springen, da war der rassistische Mob im Internet vor Selbstgewissheit nicht zu bremsen. Tenor: Zu Unrecht seien die aufrechten Anwohner des kleinen Thüringer Städtchens an den Pranger gestellt worden. Wahrscheinlich glauben die gleichen Kommentatoren auch, in Bautzen hätten besorgte Anwohner vor einigen Wochen aus Notwehr eine Hetzjagd auf minderjährige Geflüchtete veranstaltet. Zu viele Deutsche fühlen sich immer nur als Opfer, aber nie als Täter.

Halten wir fest: Worte des Bedauerns über den Tod einen jungen Menschen, der dringend Hilfe gebraucht hat, kamen jenen, die die Schmöllner Bevölkerung als Opfer einer Vorverurteilung sehen, nicht über die Lippen. Dabei ist das einzige wahre Opfer dieses Dramas seit Freitag tot und mit ihm starb zum wiederholten Male die Empathie. Im Internet finden sich unzählige Hasskommentare, die den Jugendlichen verhöhnen, ihn zum Kriminellen erklären und sich freuen, dass es nun »einer weniger« sei und hoffentlich noch etliche ihm nachfolgen werden. Das ist lupenreiner Rassismus, nichts anderes. Und muss deshalb auch so benannt werden.

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