Belgien unterschreibt CETA nicht

Nach Wallonie nun auch Brüssel-Hauptstadt gegen Abkommen / Wallonie-Regierungschef Magnette verbittet sich Druck aus Brüssel

  • Lesedauer: 7 Min.

Update 19.40 Uhr: Tusk und Trudeau halten Gipfel weiterhin für möglich
EU-Ratspräsident Donald Tusk und der kanadische Premierminister Justin Trudeau halten ein Gipfeltreffen zum CETA-Handelsabkommen am Donnerstag trotz der Blockade Belgiens weiter für möglich. »Es ist noch Zeit«, teilte Tusk am Montagabend nach einem Telefonat mit Trudeau über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. »Wir fordern alle Parteien auf, eine Lösung zu finden.« Unklar blieb zunächst, ob der Gipfel auch dann stattfinden soll, wenn bis dahin keine Zusage Belgiens vorliegt.

EU-Ratspräsident Tusk hatte Belgien bis Montagabend Zeit für eine Entscheidung über CETA gegeben. »Man hat uns gebeten, bis heute eine klare Antwort zu geben«, sagte sagte der belgische Ministerpräsident Charles Michel. »Die klare Antwort in diesem Stadium ist Nein.«

Update 17.40 Uhr: Wie geht es weiter? Europapolitiker widersprechen sich, Deutsche Wirtschaft ist entsetzt
Der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD), sieht Ceta bereits »de facto gescheitert«. »Wenn sich die Belgier unter diesem massiven Druck nicht bewegt haben, werden sie es auch mittelfristig nicht mehr tun«, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. »Und wenn ich Kanada wäre, wäre meine Geduld am Ende.« »Ceta ist nicht tot«, erklärte dagegen der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion, Manfred Weber (CDU). Alles müsse getan werden, um das Abkommen in Kraft zu setzen. »Interne Machtspiele in Belgien dürfen die EU nicht blockieren.«

»Dies sind schwarze Tage für die europäische Handelspolitik«, erklärte der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo. »Mit der Blockade verspielt die EU das Vertrauen ihrer internationalen Partner.« Belgien müsse Ceta »aus der politischen Geiselhaft entlassen«. Der Maschinenbauverband VDMA forderte eine Reform der Entscheidungsprozesse. Die EU sei »zu keiner gemeinsamen Handelspolitik mehr fähig, wenn sämtliche Entscheidungen einstimmig getroffen werden müssen«, erklärte Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann. »Wir müssen die Entscheidungsfindung in Europa so reformieren, dass zwar jeder gefragt wird, am Ende aber eine Mehrheit entscheidet.«

Der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold begrüßte dagegen, »dass die vorliegende Fassung des Ceta-Vertrags, der tief in Demokratie und Rechtsstaat eingreift, gestoppt wurde«. Die EU und Kanada sollten die Gelegenheit nutzen, den Vertrag nochmals zu überarbeiten.

Update 16.30 Uhr: Gabriel und EU-Kommission wollen CETA nicht aufgeben
Ein Sprecher der EU-Kommission bejahte am Montagtnachmittag die Frage, ob CETA auch bei einer Absage des für Donnerstag geplanten Termins auf dem Tisch bleibe. Ein Ultimatum gebe es nicht. »Wir müssen jetzt Geduld haben«, sagte der Sprecher. Tusk hatte wissen lassen, dass Belgien bis Montagabend seine Position klären müsse. »Wir arbeiten natürlich darauf hin, dass wir CETA zu einem erfolgreichen Abschluss bringen«, betonte eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel.

Update 16.15 Uhr: CDU-Politiker kritisieren Belgiens Entscheidung als »nicht hinnehmbar«
Scharfe Kritik an der Entscheidung Belgiens kommt aus den Reihen der CDU. CDU-Generalsekretär Peter Tauber sieht die Handlungsfähigkeit der EU durch die Ablehnung des europäisch- kanadischen Freihandelsabkommens Ceta in Teilen Belgiens beschädigt. »Wir wollen das Freihandelsabkommen mit Kanada auf den Weg bringen. Das ist wichtig. Deswegen ist es nicht hinzunehmen, dass eine Regionalregierung in Europa dieses Abkommen aller 28 Länder blockiert«, sagte Tauber am Montag in Berlin. Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok äußerte ähnliche Kritik. »Dies zeigt, dass Belgien kein handlungsfähiger Staat ist«, sagte Brok dem Berliner »Tagesspiegel«. Es sei »völlig unannehmbar«, dass schon vor der Unterzeichnung des Vertrages und der anschließenden Ratifizierung in den EU-Mitgliedstaaten auch die Regionalvertretungen Belgiens der Vereinbarung zustimmen müssten. Die Einstimmigkeit in der EU sei kein ein Instrument des Schutzes, sondern »der Erpressung«.

Update 16.05 Uhr: Linke Politiker begrüßen vorläufiges Scheitern von CETA
Die Ankündigung Belgiens, das Freihandelsabkommen am Donnerstag nicht unterschreiben zu können, wird von linken Politikern begrüßt. »Bei #CETA steht nicht eine Region gegen die #EU, sondern europaweit Millionen gegen ein verheerendes Abkommen. Schluss mit der Arroganz«, kommentierte LINKE-Chef Bernd Riexinger auf Twitter. Auch der grüne Europapolitiker Sven Giegold jubelte: »Sieg für die #CETA-Kritiker! Abkommen gestoppt«. Kritisch fügte er jedoch hinzu, die Art und Weise sei allerdings »eine Niederlage für Europas Handlungsfähigkeit«. »Brüssel scheitert in Brüssel«, twitterte nüchtern die hessische LINKE-Politikerin Janine Wissler.

Update 14.40 Uhr: Belgien unterschreibt CETA nicht
Der belgische Regierungschef Charles Michel sieht sich außer Stande, das geplante Handelsabkommen der EU mit Kanada zu unterzeichnen. »Wir sind nicht in der Lage, CETA zu unterschreiben«, sagte Michel am Montag nach Gesprächen mit Vertretern der belgischen Regionen. Demnach verweigerten neben der Wallonie auch die Regionalregierung der Hauptstadtregion Brüssel und die französischsprachige Gemeinschaft ihre Zustimmung. Damit ist die EU in der Frage blockiert. Für den Abend wurde die Absage des EU-Kanada-Gipfels am Donnerstag erwartet. Die EU-Kommission deutete aber an, dass sie Ceta trotzdem weiter verfolgen will. Auch die Bundesregierung dringt auf einen erfolgreichen Abschluss.

Update: Auch Regionalparlament in Brüssel lehnt CETA ab
Nach der Wallonie hat ein weiteres belgisches Regionalparlament CETA abgelehnt. Wie die »ARD« berichtet, bestätigte die Regionalregierung von Brüssel-Stadt am Montag, dass sie nicht für das Abkommen stimmen könne. Demnach habe ein Sprecher des sozialistischen Ministerpräsidenten Rudi Vervoort dem ARD-Studio Brüssel gesagt, weil sich das Regionalparlament gegen CETA ausgesprochen habe, werde Vervoort der belgischen Zentralregierung nicht erlauben, das Abkommen zu ratifizieren. .

CETA: Wallonie lehnt EU-Ultimatum ab

Berlin. Im Konflikt um die Unterzeichnung des umstrittenen Handelsabkommens CETA will sich die belgische Region Wallonie keinem Druck beugen. Der wallonische Regierungschef Paul Magnette verbat sich ein »Ultimatum« der EU, die am Montag mit Kanada über die Unterzeichnung von CETA entscheiden will. Die Festlegung einer solchen Frist sei »unvereinbar mit dem demokratischen Prozess«, erklärte er. Er lasse sich nicht in einen engen Zeitrahmen zwingen. Zuvor hatte Magnette auf dem Kurzmeldungsdienst Twitter erklärt: »Schade, dass die EU nicht genauso viel Druck auf die ausübt, die den Kampf gegen die Steuerflucht blockieren.«

Einen Kompromissvorschlag zum Bereich Investitionsschutz, den die EU-Kommission vorlegte, nannte die Regionalregierung »enttäuschend«. »Man übergibt uns ein enttäuschendes Dokument und stellt uns gleichzeitig ein Ultimatum. Das ist sehr erstaunlich«, hieß es. »Das wirft Fragen nach dem Ziel auf.« Zudem enthalte das Papier »deutlich weniger Fortschritte« als die Gespräche vom Freitag und Samstag. Ein EU-Diplomat sagte dagegen, dieses Papier berücksichtige »alle Vorbehalte, die Herr Magnette geltend gemacht hat«.

Der Bereich Investitionsschutz ist umstritten, weil CETA multinationalen Konzernen, die in einem Land investieren, die Möglichkeit einer Klage gegen einen Staat gibt, dessen Politik den Interessen des Konzerns zuwiderläuft. Die belgische Region Wallonie lehnt das unterschriftsreife Abkommen derzeit ab und fordert stärkere Garantien zum Schutz ihrer Bauern und die Abwehr eines übermäßigen Einflusses internationaler Konzerne.

EU-Ratspräsident Donald Tusk hat Belgien bis zum Montagabend Zeit für eine Entscheidung über CETA gegeben. Dann will er mit Kanadas Premierminister Justin Trudeau bei einem Telefonat entscheiden, ob der EU-Kanada-Gipfel am Donnerstag stattfindet oder nicht, wie die Nachrichtenagentur AFP aus EU-Kreisen erfuhr. Bei dem Gipfel sollte das Abkommen unterzeichnet werden. Vor seinem Gespräch mit Trudeau will Tusk den Angaben zufolge mit dem belgischen Ministerpräsidenten Charles Michel sprechen. Sollte dieser bis dahin seine Zustimmung zu CETA nicht garantieren können, werde der EU-Kanada-Gipfel abgesagt.

Organisationen wie Greenpeace begrüßen, dass die Wallonie sich bei Ceta querstellt. Rund 8.000 Niederländer demonstrierten am Samstag in Amsterdam ihre Unterstützung für die belgische Region.

EU-Parlamentspräsident Schulz, der am Samstag in Brüssel sowohl mit Magnette als auch mit Kanadas Handelsministerin Chrystia Freeland sprach, hatte sich noch zuversichtlich gezeigt, dass die Unterzeichnung doch wie geplant zustandekommen könne. Magnette habe gesehen, »dass es eine große Erwartungshaltung an ihn gibt«, sagte Schulz der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«. »Ihm ist auch klar geworden, dass sich die EU nicht kalt über wallonische Bedenken hinwegsetzt.« Magnette hatte nach dem Gespräch gesagt, es gebe »noch ein paar Schwierigkeiten unter Europäern«. Die Gespräche der Wallonie mit Kanada seien aber »sehr nützlich« gewesen und hätten eine Verbesserung des Vertragstextes ermöglicht. Agenturen/nd

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