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Wasserbomben gegen Nazi-Fackeln

Mehr als 1500 Menschen protestierten in Jena gegen Aufmarsch der rechtsradikalen »Thügida«-Bewegung / Polizei ermittelt

  • Lesedauer: 3 Min.

Jena. Hunderte Menschen haben in Jena am Jahrestag der Pogromnacht von 1938 gegen einen Aufmarsch von Neonazis demonstriert. Die Polizei sprach am Mittwochabend von mehr als 1500 Gegendemonstranten. Einige von ihnen versuchten zu Beginn eine Absperrung der Polizei zu durchbrechen. Die Beamten setzen nach eigenen Angaben Pfefferspray ein und drängte die Teilnehmer gewaltsam zurück.

Gegen mehrere Personen werde ermittelt, teilte ein Polizeisprecher am Donnerstag mit. Bei den Demonstrationen nahmen die Beamten nach eigenen Angaben mindestens 18 Straftaten auf beiden Seiten der politischen Lager auf. In sechs Fällen sei es zu Körperverletzungen gekommen. Insgesamt wurden vier Beamte verletzt – laut Polizei aus den Reihen der Gegenproteste. In einem anderen Fall zog sich ein Polizist leichte Verletzungen zu, als Beamte Pfefferspray gegen Gegendemonstranten einsetzten, die eine Absperrung durchbrechen wollten. Auch zwei Demonstranten wurden verletzt.

Anhänger des rechtsradikalen Thügida-Bündnisses zogen mit Fackeln und einem Sarg durch die Stadt. Die Polizei gab ihre Zahl mit etwa 60 an. Während des Aufmarsches durch die Stadt versuchten Gegendemonstranten, mit einem Wasserschlauch und Wasserbomben die Fackeln zu löschen. Auf einem Transparent war zu lesen: »Auch mit Fackeln seid Ihr keine Leuchten.« Anwohner stellten Teelichter auf. Andere beschallten die Neonazis mit lautstarker Musik und Schlägen auf Töpfen. Über die Fahrbahn spannten sie ein Transparent, auf dem Stand »Tolles Gefühl - Laufen für Asyl«.

Die Stadtverwaltung hatte wegen des brisanten Datums verfügt, dass die Demonstration um einen Tag vorverlegt wird. Das aber lehnte das Bündnis ab und berief sich für seine Kundgebung auf den Jahrestag des Mauerfalls. Die Organisatoren wehrten sich zuletzt vor Gericht, das die Beschwerde der Stadt zurückwies. Das Oberverwaltungsgericht argumentierte, es seien keine konkreten Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dargelegt worden. Rechtsradikale marschierten in diesem Jahr schon mehrfach an für die Neonazi-Szene symbolischen Daten auf, etwa am 20. April, dem Geburtstag Adolf Hitlers.

Zuletzt gab es immer wieder Forderungen, Proteste an für historisch sensiblen Daten zu verbieten. Thüringens Innenministerium äußerte verfassungsrechtliche Bedenken und verwies darauf, dass es auf Grundlage des geltenden Rechts bereits möglich sei, »Versammlungen mit Auflagen oder Beschränkungen« zu versehen. Unabhängig davon wird nach Angaben eines Sprechers geprüft, ob es eine Regelung dazu im Landesrecht geben wird. Er sprach von einer Klarstellung der Rechtslage. Versammlungsrecht ist Bundesrecht. Bayern hat zum Beispiel ein eigenes Landes-Versammlungsrecht.

Kritik am Oberverwaltungsgericht übte Landtagspräsident Christian Carius: Zwar müssten Demokraten einen solchen Aufmarsch aushalten. »Ich sage aber auch, dass die Bürger in diesem Land zu Recht erwarten können, dass der Rechtsstaat nicht erst dort einschreitet, wo Steine und Flaschen fliegen oder Häuser brennen, sondern auch dort, wo gehetzt und beleidigt wird.« Der Chef der jüdischen Landesgemeinde, Reinhard Schramm, sprach von einer »genehmigten Glorifizierung nationalsozialistischer Verbrechen gegen die Menschlichkeit«.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 hatten Synagogen in ganz Deutschland gebrannt. Viele Juden wurden verschleppt und ermordet. Die Nacht gilt als Auftakt zur systematischen Vernichtung der jüdischen Bevölkerung. Agenturen/nd

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