Warten auf Betreiberverträge

3500 Geflüchtete müssen noch bis 2017 in Turnhallen ausharren

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Auszug von Flüchtlingen aus Turnhallen stagniert. Neu ist, dass der Senat nun eingestanden hat, dass es bis mindestens Ende des Jahres keine neuen Auszüge geben wird. Der Grund sind nicht nur zu wenige Plätze in Containerdörfern und anderen modularen Bauten, sondern vor allem Probleme mit den Betreiberverträgen.

»Entweder, man macht es supertransparent, das dauert, oder man macht es schnell, dann ist es aber angreifbar«, sagt Sascha Langenbach, Sprecher des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten, dem »nd«.

Fakten zur Turnhallenbelegung
  • Seit Juli 2015 kamen rund 79.000 Geflüchtete nach Berlin, 55.000 durchliefen beziehungsweise durchlaufen hier das Asylverfahren. Nach Angaben des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten leben derzeit noch rund 20.000 dieser Menschen in Notunterkünften. 
  • 3500 von ihnen legen in 38 Turnhallen, die übrigen etwa in Kasernen, Bürogebäuden und den Hangars des früheren Flughafens Tempelhof. Das Land Berlin gibt pro Jahr rund eine Milliarde Euro für Unterbringung, Verpflegung und Betreuung der Flüchtlinge aus. dpa/nd

Lange war der Senat diesem Thema aus dem Weg gegangen, indem Betreiber für Flüchtlingsunterkünfte teils gar keine schriftlichen Verträge erhielten oder lediglich Absichtserklärungen, irgendwann einmal Verträge zu unterzeichnen. Als der Senat im Juni dann die ersten Containerdörfer ausschrieb, empfahl die Liga der Wohlfahrtsverbände ihren Mitgliedern, diese nicht zu unterzeichnen. Denn: Die Betreiber müssten wirtschaftliche Risiken in erheblich größerem Ausmaß tragen als bei bisherigen Unterkünften. Kritik gab es auch für einen Passus, nach dem Betreiber der Tempohomes verpflichtet seien, alle Presseanfragen mit dem Senat abzustimmen.

Tatsächlich bewarben sich nur wenige Betreiber, und der Senat verlängerte die Bewerbungsfrist. Gegen die Verträge gingen mehrere Klagen ein, was die Vergabe nach hinten verzögerte. Es gab Nachbesserungen und weitere Klagen.

Als Zwischenlösung setzte der Senat auf Interimsvergaben. Zum Beispiel an die Johanniter. Die betreiben seit August eine Notunterkunft in der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg. Ihr Vertrag läuft bis Ende 2016, sie gehen aber von einer Verlängerung aus. Auch das Containerdorf in der Zossener Straße in Hellersdorf wird zunächst nur übergangsweise betrieben: Das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk (EJF) hat einen Vertrag für sechs Monate unterschrieben, der noch bis April läuft. Die Ausschreibung habe sich nicht wesentlich von der ursprünglichen Ausschreibung unterschieden, sagt Julie von Stülpnagel, die für die Flüchtlingshilfe des EJF zuständig ist. Tatsächlich habe sie sich nach der Presseanfrage am Montagmorgen mit dem Landesamt »abgestimmt«: »Das ist unter Partnern so üblich.«

Der Senat will nun das Vergabeverfahren weniger juristisch angreifbar machen. Externe Fachleute sollen dabei helfen. Betreiberverträge für neue Containerdörfer sollen EU-weit ausgeschrieben werden. Auch das EJF muss sich neu für den Betrieb der Unterkunft in der Zossener Straße bewerben. »Wir sind zuversichtlich, dass wir die Ausschreibung gewinnen«, sagt von Stülpnagel. Schließlich habe das EJF langjährige Erfahrungen als Betreiber.

Elke Breitenbach, sozialpolitische Sprecherin der Linkspartei im Abgeordnetenhaus, kritisiert, der Senat habe sich zu spät mit den Betreiberverträgen beschäftigt. »Ich bin felsenfest überzeugt, dass man eine kurzfristige Lösung findet.« Eine solche zu finden und umzusetzen, wird voraussichtlich bereits in wenigen Wochen Aufgabe von Breitenbach selbst sein: Im neuen rot-rot-grünen Kabinett soll sie Sozialsenatorin werden - und wäre damit auch für Flüchtlinge zuständig.

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