Militärisch ist nicht friedlich

Friedensaktive der Bremer Uni protestieren gegen Kooperation mit der Bundeswehr, ein Gutachten gibt ihnen Recht

  • Josephine Schulz
  • Lesedauer: 4 Min.

Eine Kooperation mit der Bundeswehr steht nicht im Widerspruch zur Zivilklausel der Hochschule Bremen, meint Justizsenator Martin Günthner. Sowohl im Hochschulgesetz des Landes als auch in der Selbstverpflichtung der Uni heißt es zwar, sie verpflichte sich, »ausschließlich friedliche Zwecke« zu verfolgen. Da die Bundeswehr allerdings eine Friedensarmee sei, so die Argumentation des Senators, sei beides vereinbar. In seiner rechtlichen Einschätzung erklärt er: »Legt man die Bedeutung des Begriffes ›friedlich‹ in Artikel 24 und 26 des Grundgesetzes zugrunde, kann eine Kooperation mit der Bundeswehr von vornherein keine ›unfriedlichen‹ Zwecke verfolgen. Denn ›unfriedlich‹ in diesem Sinne ist nicht gleichbedeutend mit ›militärisch‹«.

Konkret geht es um den »Internationalen Frauenstudiengang Informatik«. Ab diesem Wintersemester werden Soldatinnen im Rahmen ihrer »Laufbahnausbildung für den gehobenen technischen Dienst« an der Hochschule Bremen ausgebildet. Die Bundeswehr beteiligt sich an den Verwaltungskosten des Studiengangs. Der Asta der Hochschule protestiert seit Monaten massiv gegen die Kooperation. Die Studierenden blockierten den Akademischen Senat, riefen eine Petition ins Leben, die von mehreren hundert Menschen unterzeichnet wurde. An ihrem Fenster hatte der Asta ein Banner in Camouflagedesign mit der Aufschrift »Wir bilden zum Töten aus« ausgehängt. Die Rektorin verfügte wegen eines möglichen »Ansehensschadens« der Hochschule die Entfernung. Daraufhin wurde das Transpi durch ein anderes mit dem Slogan »Die Zivilklausel umsetzen, nicht das Hausrecht, liebes Rektorat!« ersetzt.

Die »NaturwissenschaftlerInnen-Initiative - Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit« gab zudem ein Gutachten bei dem Kasseler Anwalt Bernd Hoppe in Auftrag, das nun veröffentlicht wurde. Dieses stellt fest: Die Kooperation mit der Bundeswehr verstößt gegen die Zivilklausel und das Bremer Landesgesetz und ist damit rechtswidrig. In dem Gutachten heißt es: »Die Hochschule Bremen fordert in ihrer Zivilklausel, dass Studium, Lehre und Forschung ausschließlich friedlichen Zwecken dienen. Außerdem wird die Beteiligung an Projekten mit militärischer Nutzung bzw. Zielsetzung abgelehnt. Die Bundeswehr dient militärischen Zwecken. Eine Kooperation der Hochschule Bremen mit der Bundeswehr ist deshalb ausgeschlossen.« Die Auftraggeber hoffen nun, die Diskussion an der Uni durch das Gutachten noch einmal anzuheizen und auch innerhalb der Bremer Bürgerschaft für ein Umdenken zu sorgen.

Für den Friedensaktivisten Reiner Braun von der Organisation IALANA zeigt der Konflikt auch ein »Ringen um die Hegemonie einer Begriffsdefinition.« Das Wort »Frieden« werde in diesem Zusammenhang aus ideologischen Gründen neu interpretiert, »eine üble aber bekannte Verfälschung von Begriffen«. Das sei gerade angesichts der Geschichte von Zivilklauseln in Deutschland perfide, findet Braun. Denn als Friedensaktivisten in den 80ern für solche Klauseln eintraten, ging es konkret um Abrüstung und die Ablehnung jeglicher militärischer Interventionen. Auch die LINKE-Politikerin Nicole Gohlke sieht in der Argumentation des Justizsenators den »wiederholten Versuch, in Orwellscher Manier den Begriff Frieden seinen nicht-militärischen Gehalts zu berauben«.

Ein zentrales Problem bei der Durchsetzung von Zivilklauseln durch aktive Mitarbeiter und Studierende liegt in der Intransparenz. Aufträge des Verteidigungsministeriums oder Kooperationsverträge mit der Privatwirtschaft werden an den Hochschulen meist unter der Decke gehalten. Diese Intransparenz widerspreche der Mitbestimmung, meint Martin Beckmann von ver.di. Auch Gohlke sieht in der Geheimhaltung eine Behinderung der demokratische Kontrolle von Hochschulen und einer kritische Öffentlichkeit unter Mitarbeitern und Studierenden. Die LINKE frage regelmäßig beim Verteidigungsministerium ab, welche Aufträge an Hochschulen gingen, so Gohlke. Die Ergebnisse dürften aber nur in geringem Umfang veröffentlicht werden. Für den Gewerkschafter Beckmann ist jedoch auch klar: Transparenz allein wird das Problem nicht beheben. Denn aufgrund der Unterfinanzierung stünden die Hochschulen unter dem Druck andere Mittel einzutreiben, etwa durch Verträge mit der Privatwirtschaft oder dem Militär.

Jenseits der Verhinderungen einzelner Kooperationen hoffen Friedensaktivisten mit dem Kampf für Zivilklauseln auch auf mehr studentischen Aktionismus. »Das progressivste Gesetz ist nichts wert ohne eine Bewegung, die es verteidigt«, so Braun. »Daher stellt sich die Frage, wie wir es schaffen, den Friedensgedanken wieder an die Unis zu bringen.« Früher seien die Universitäten Hochburgen der Friedensbewegung gewesen. Die Schwierigkeit liege heute auch in der Struktur des Studiums. Der schnelle Durchlauf sorge dafür, dass sich in kurzen Abständen immer wieder neue Generationen mit dem Thema befassen müssten.

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