Kein Job mehr unter 15 Dollar

Aktionstag in den USA für höheren Mindestlohn

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn die Passagiere die Flugzeugkabine auf dem O’Hare-Flughafen von Chicago verlassen haben, schlägt die Stunde von Kisha Rivera. Mit ihrem Staubsauger macht sie das Flugzeug sauber für den nächsten Flug. Ihre Stunde wird mit 10,50 Dollar entlohnt (9,87 Euro). Doch damit kommt die 41-Jährige nicht über die Runden. Am Monatsende wird das Geld knapp.

Deshalb ist Rivera am Dienstag wie Tausende andere Arbeiter auf Flughäfen, im öffentlichen Verkehrswesen, in Schnellrestaurants, Krankenhäusern und Betrieben in den gesamten USA nicht zur Arbeit gegangen. Sie schloss sich der Demonstration für einen höheren Mindestlohn an. Die Aktivisten fordern 15 Dollar pro Stunde, deutlich mehr als der nach Bundesgesetz überall in den USA geltende Satz von 7,25 Dollar. »Wir verlangen keine Sonderbehandlung. Wir fordern einen anständigen Lohn«, sagte Rivera vor rund 500 streikenden Arbeitern auf dem Chicagoer Flughafen.

Die inzwischen im ganzen Lande aktive Bewegung »Fight for $ 15« (Kampf um 15 Dollar) hat vor vier Jahren bei den Mitarbeitern der Fast-Food-Ketten in New York begonnen. Sie konnte auch schon einige Erfolge erringen, denn es wird nun auch der Öffentlichkeit klar, dass die Niedriglohnempfänger am Aufschwung nach der Krise von 2008 nicht teilhaben.

Seit 2009 gilt nach Bundesgesetz ein Mindestlohn von 7,25 Dollar. Der stieg seit 1968, als verschiedene Lohnvarianten zum Bundes-Mindestlohn zusammengelegt wurden, von damals 1,15 Dollar kontinuierlich. Seit 2009 ist er aber unverändert geblieben. Rund 35 Millionen Amerikaner, etwa ein Viertel der Arbeiterschaft, bekommen lediglich den Mindestlohn, hat das Economic Policy Institute in Washington festgestellt. Scott Courtney von der Dienstleistungsgewerkschaft SEIU sagt: »Einem Haufen Leute von uns geht es nicht gut. 64 Millionen bekommen keine 15 Dollar.«

Die Bundesstaaten und die Städte können höhere Mindestlöhne festlegen. So erhöhen New York und Kalifornien die Untergrenze schrittweise in den nächsten Jahren auf 15 Dollar pro Stunde. Andere Bundesstaaten wollen folgen. In Washington D.C., der Bundeshauptstadt, gilt mit 10,50 Dollar aktuell der höchste Mindestlohn, in Wyoming der niedrigste: 5,15 Dollar. Hier aber greift der Bundessatz - nirgendwo darf weniger bezahlt werden als 7,25 Dollar.

Teile der Wirtschaft haben sich der Bewegung angeschlossen. So hebt die Versicherungsgesellschaft Allstate die Vergütung für ihre Mitarbeiter auf mindestens 15 Dollar an. Der Internetkonzern Facebook zwingt seine Vertragsfirmen ebenfalls, mindestens so viel zu bezahlen. Bei McDonald’s ist der Mindestlohn gegenüber dem Vorjahr um einen Dollar auf jetzt zehn Dollar gestiegen. Das gilt aber nur für die eigenen Restaurants, nicht für die Franchise-Unternehmen. Die Supermarktkette Walmart gibt einen durchschnittlichen Lohn von 13,69 Dollar pro Stunde an. Walmart-Direktorin Judith McKenna hält die höheren Löhne für gut. Die Kundenzufriedenheit sein gestiegen, seit die Mitarbeiter mit etwas höheren Einkommen ebenfalls zufriedener seien.

Die Unternehmerverbände sind aber gegen höhere Mindestlöhne. Chris Geehern vom Industrieverband Massachusetts verwies darauf, dass die Firmen schon jetzt Probleme hätten, ihre Mitarbeiter zu bezahlen, hinzu kämen neue Verpflichtungen wie Krankengeld und gleicher Lohn für Frauen. Wer mehr verdienen wolle, der müsse sich eben weiterbilden, meinte Geehern lapidar.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal