»Verfoxt« und zugehört

Der »Affe« schwingt sich in der Neuköllner Oper mit den Songs von Peter Fox

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 3 Min.

Er ist gesprungen. Im Rausch. Der Affe. Hat noch mal Glück gehabt, auf einem Vordach zu landen. Oder nicht? Nun liegt er flach in der Psychiatrie. Eine Traumsequenz nach der anderen macht sich über ihn her. Schneidet sein Leben in Streifen, gaukelt ihm dieses und jenes vor. Was geschah wirklich, was nicht? In einem Traummoment blickt F. auf sich selber hinunter. Sieht nicht gut aus. Nur eins scheint klar. Ausgangspunkt allen Wegdriftens war die nicht mehr erwiderte Liebe einer Frau. Affe schrieb sie ihm auf die Stirn, weil er nicht schätzte, was er hatte. Vielleicht war das kein traumhaftes Leben, doch nicht der Albtraum, in den er nun stürzte.

Ein fröhliches Spiel ist die Produktion »Affe« in der Neuköllner Oper als Trip mit den Songs von Peter Fox’ »Stadtaffe« also keineswegs. Dennoch geht man am Ende mit guter Laune. Peter Fox ist das in erster Linie zu danken. Wie kein anderer versteht er es, singend ein Lebensgefühl zu vermitteln, bei dem das Blut rauscht und doch alles auf der Kippe sein kann. Fred Sauer, der am Keyboard agiert, adaptierte die Songs für das Stück. Der Mann lebt sichtbar diese Musik, hat sie eingesogen - ist total »verfoxt«. John von Düffel schrieb das Buch, das die Songtexte in eine Handlung bringt, die das urbane Leben von einer seiner dunklen Seiten zeigt. Großartig eigenwilliges Musiktheater kam dabei heraus und will in keine Genre-Schublade geschoben werden. Muss es nicht. »Affe« ist »Affe« und steht für sich. Natürlich gilt das auch für die Neuköllner Oper, die das ungewöhnliche Stück wagte.

Die sechswöchige Probenzeit war hart. Regisseur Fabian Gerhardt gestand nach der Uraufführung ein, die Mitwirkenden malträtiert zu haben. Sie hätten weder singen noch tanzen gekonnt, meinte er. Jedenfalls wohl nicht so, wie ihm das so vorschwebte. Kann man sich bei dem, was herausgekommen ist, kaum vorstellen. Überdies sind es gut ausgebildete Künstler, die sich mit Hilfe von Choreografin Stella Caric und Stimmtrainerin Nicola Rost speziell auf diese Produktion vorbereiteten und in Form brachten. Denn in der gut einfach gemachten Ausstattung von Michael Graessner, ergänzt durch Filme von Vincent Stefan, müssen alle noch klettern wie die Affen.

Anton Weil in der Hauptrolle als F. nimmt die ganze Tragik auf seine Schultern. In Trance geraten, dämmert es ihm vom »Haus am See«. Schöne Idee. Sohel Altan Gol zeigt mit Herz, was eine Freundschaft vermag; auch, welche Gefahren sie in diesem Falle birgt. Amy Benkenstein, Achan Malonda und Rubini Zöllner verstehen sich für unterschiedliche Rollen überzeugend zu verwandeln. Sergej Lubic spielt unter anderem als King der Unterwelt locker wie kalt mit dem Leben anderer. Als Arzt zeigt er sich auch nicht gerade von Empathie geplagt.

Knapp inszenierte die Regie im temporeichen Spiel jegliche personellen Wechsel und die begleitenden Gesangseinsätze. Die Spielenden sind auf den Punkt an ihren Mikrofonen. Keine Sekunde zu früh. Das ist spannend, man fiebert mit - und atmet auf, weil es klappt wie am Schnürchen. Der eine oder andere Zuhörende braucht möglicherweise anfangs einen Moment, sich auf eine fremde Stimme oder mehrere Stimmen in den vertrauten Songs einzustellen. Jedenfalls jeder, der auch »verfoxt« empfindet.

Neben Keyboard, Bass und Drums setzte Fred Sauer drei Streicher ein. Sie geben beispielsweise in den tragischen Momenten dem Klang etwas samtig Dunkles. Alle Beteiligten können mit dem Ergebnis zufrieden sein. Selbst der Regisseur, bitte sehr.

Der »Affe« macht sich gut. Das Uraufführungspublikum blieb - mögliche Impulse unterdrückend - brav auf den Plätzen. In den sogenannten normalen Vorstellungen zündet der Funke anders. Da pfeifen die Leute auf die Etikette und lassen den Affen raus. Da geht was los in der Oper.

Bis 5. Januar in der Neuköllner Oper, Karl-Marx-Straße 131, Neukölln

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