Wenn der Ball ruht ...

... streiten sich die Funktionäre um Einfluss und Geld. Derzeit spaltet der Plan einer Mega-WM die Fußballwelt

»Politik und Kommerz sollten im Fußball nicht an erster Stelle stehen.« Wenn die üblichen Verdächtigen wie Fanvertreter oder Menschenrechtsorganisationen diese mahnenden Worte am Donnerstag wieder mal in die Welt hinaus gerufen hätten, wäre das Echo kaum zu hören gewesen. Der Satz aber stammt von Karl-Heinz Rummenigge, entsprechend hoch war die Aufmerksamkeit. Still steht die Fußballwelt dennoch nicht, nicht mal der Atem stockte kurz. Denn die Worte des 61-Jährigen sind gewissenlos berechnend, und zwar derart: Der Fußballfunktionär macht Politik, um den Kommerz voranzutreiben.

Karl-Heinz Rummenigge sprach am Donnerstag nicht als Vorstandsvorsitzender des FC Bayern München, den er zur globalen Marketingmaschine gemacht hat. Er sprach als Vorsitzender der europäischen Klubvereinigung ECA. Weil deren Einfluss auf den Weltverband FIFA aber nicht annähernd so groß ist wie auf Europas Fußballverband UEFA, wählte er derart drastische Worte. In dem Protestbrief, den die ECA an die FIFA geschickt hat, geht es um die Weltmeisterschaft 2026 - gegen die geplante Aufstockung von 32 auf 40 oder gar 48 Teilnehmer. »Es ist der Zeitpunkt gekommen, dass nicht das Geld der entscheidende Faktor ist, sondern die ungesunde Belastung der Spieler«, argumentiert Rummenigge: »Die Profis müssen inzwischen Tag und Nacht behandelt werden, damit sie überhaupt noch regenerieren können.«

Auch wenn Argumentation und Begründung nicht haltbar und heuchlerisch sind, den formulierten Widerstand müssen sie in der FIFA-Zentrale tatsächlich ernst nehmen. Mehr als 200 europäische Fußballklubs sind in der ECA organisiert, die Vereinigung vertritt vor allem die Interessen der Topklubs - und da spielen nun mal die besten Fußballer aus den besten Nationalmannschaften.

Wie erfolgreich die ECA Druck ausüben kann, bekam jüngst die UEFA zu spüren. Mit der Drohung, eine eigene Superliga zu gründen, setzte sie ihre Interessen bei der Reform der europäischen Klubwettbewerbe erfolgreich durch. Das heißt: viel mehr Geld. Auch für die Abstellung von Nationalspielern zu den Europameisterschaften handelte die ECA beachtliche finanzielle Verbesserungen heraus. Rummenigges FC Bayern dient als gutes Beispiel: Mehr als zwei Millionen Euro überwies die UEFA nach München dafür, dass neun Nationalspieler des Klubs bei der Endrunde dabei waren. Im Vorfeld dieser Auseinandersetzungen hatte die ECA, wie aktuell jetzt auch, mit der Überbelastung der Spieler argumentiert und wollte damit angeblich die Einführung der Europäischen Nationenliga verhindern. Letztlich bekamen alle, was sie wollten: die ECA mehr Geld, die UEFA ihren neuen Wettbewerb und damit auch neue Einnahmen. Es gewann der Kommerz.

Die FIFA ist gerade auf weltweiter Werbetour - für die von ihrem Präsidenten Gianni Infantino favorisierte Idee, ab 2026 die WM mit 48 Nationen zu spielen. Die Entscheidung über den neuen Modus soll Anfang Januar erfolgen. Auch der Zeitdruck erklärt das borstige Auftreten der ECA. Am Dienstag besuchte jedenfalls Fatma Samoura die Stadt Frankfurt am Main. Die Generalsekretärin der FIFA zeigte sich bei einem Abstecher zum 1. FFC Frankfurt ganz begeistert vom Frauenfußball in Deutschland. Der wahre Grund ihrer Reise? »Das war das erste Thema, über das wir gesprochen haben«, antwortete sie auf die Frage nach Infantinos WM-Plan.

Lange Zeit stand der Deutsche Fußball-Bund einer Erweiterung des Teilnehmerfeldes skeptisch gegenüber. Nach dem Besuch Samouras ist man in der Frankfurter Zentrale plötzlich anderer Meinung. »Ich bin dafür«, sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel, aber nur, wenn es keine zusätzliche Zahl an Spielen gäbe und auch die Länge des Turniers nicht weiter ausgedehnt werde. Dass in dem favorisierten Modus zumindest für die großen Nationen keine weiteren Spiele gibt, wussten Grindel und der DFB natürlich schon vorher. Nun wissen sie auch, dass »die Generalsekretärin sich generell freuen würde, wenn die UEFA wieder einen Platz im FIFA-Council besetzt«, wie Grindel selbst verriet. Und er selbst ist ja auch willens, den seit Wolfgang Niersbachs Sperre leeren Sitz im mächtigen Führungszirkel des Weltverbandes zu besetzen.

Mit dem DFB scheint die FIFA einig. Fehlt noch die ECA. Aber auch diese beiden Parteien haben ja schon erfolgreich verhandelt. Damals, im März 2015, als es eben nur scheinbar um Politik ging. Die Drohung der ECA, die WM 2022 in Katar wegen der auf WM-Baustellen gestorbenen Gastarbeiter oder den menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen zu boykottieren, war schnell vergessen. Die FIFA brauchte die Zahlungen an die Klubs für die Weltmeisterschaften 2018 und 2022 nur zu verdreifachen.

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