Griechenland: Schäuble ist selbst dem BDI zu krass

Deutscher Industriepräsident Grillo stellt sich hinter SYRIZA-Regierung in Athen

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Wenn Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras diesen Freitagmittag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über die Schuldenkrise in seinem Land diskutiert, hat er sogar die deutsche Industrie auf seiner Seite. »Wir Europäer müssen den Griechen helfen. Wir müssen Griechenland im Euro-Raum und in der EU halten«, sagte Industriepräsident Ulrich Grillo vor dem Besuch von Tispras in Berlin der Deutschen Presse-Agentur. Die EU müsse auch am Beispiel Griechenland zeigen, dass Probleme gemeinsam gelöst würden. »So lässt sich Stärke demonstrieren.«

Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung sollten in ganz Europa verbessert werden, betonte der scheidende Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). »Keinesfalls darf die Staatengemeinschaft zerbröseln. Wenn wir uns gut um unsere Sorgenkinder kümmern, ist das die beste Werbung für Europa.«

Selbstverständlich sind solche Äußerungen von Seiten Grillos nicht. »Faule Kompromisse darf es nicht geben. Griechenland kann nicht um jeden Preis in der Währungsunion gehalten werden«, hat sich Grillo noch im Juli 2015 gegenüber der »Bild«-Zeitung geäußert. Damals hatte Griechenland ein Referendum über die von seinen Gläubigern auferlegten Sparauflagen abgehalten. Die Mehrheit der Griechen stimmte gegen weitere Maßnahmen. Tsipras unterschrieb daraufhin ein drittes, 86 Milliarden Euro schweres Kreditprogramm, in dem er sich zu weiteren schweren Einschnitten verpflichtete. Darauf folgende Parlamentswahlen konnte er jedoch für sich entscheiden.

Bei den derzeit anstehenden Verhandlungen geht es auch um Schuldenerleichterungen für den Krisenstaat. Der Schuldenberg beläuft sich mittlerweile auf bei 177 Prozent der Wirtschaftsleistung. Kurzfristige Erleichterungen wurden vor kurzem von der Eurogruppe auf Eis gelegt, weil Tsipras einen Teil des unvorhergesehenen Extraüberschusses von einer Milliarde Euro in einer Einmalzahlung an besonders bedürftige RentnerInnen auszahlen wollte. Das durchschnittliche Rentenniveau ist in Griechenland mit 845 Euro um fast die Hälfte niedriger als in Deutschland. Weil es in dem Land keine umfassenden sozialstaatlichen Leistungen gibt, sind zudem in vielen Familien die Renten der Großeltern das einzige regelmäßige Einkommen.

Besonders auch aus Berlin hat Tsipras für dieses »Weihnachtsgeschenk« an die RentnerInnen viel Kritik bekommen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte Athen damit gedroht, es müsse Sparmaßnahmen durchsetzen, wenn es in der Eurozone bleiben wolle.

Dies geht offenbar selbst dem BDI zu weit. Zwar mahnte Grillo, der Reformkurs müsse fortgesetzt werden. Die Griechen hätten aber Respekt für bereits erreichte Fortschritte verdient. »Wenn man sich vorstellen würde, in Deutschland nur ansatzweise die Reformen durchzuziehen, die Griechenland umsetzen muss, würde es sicherlich einen gewaltigen Aufschrei geben«, sagte der Industriepräsident. mit dpa

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