Lübecker Adventsstreit um 48 Linden
Hansestädter stimmen über Untertrave-Sanierung ab
Seit Monaten polarisiert ein Thema die Stadt Lübeck in Schleswig-Holstein: der Streit um 48 Linden am Straßenzug Untertrave. Der Plan, die Bäume im Zuge der Umgestaltung eines Stücks Innenstadt zu fällen, führt am Sonntag sogar zu einen Bürgerentscheid. Die Initiative »Lübecks Linden leben lassen« hat ihn erwirkt.
Es geht um die Schaffung einer neuen Plaza - barrierefrei und fußgänger- wie radfahrerfreundlich. Die »Bewahrer« sagen, die Umgestaltung ist auch mit den jetzigen Linden zu machen - und das womöglich billiger. Die Stadt Lübeck vertritt den aus ihrer Sicht alternativlosen Standpunkt, dass für die geplante Straßensanierung die Winterlinden weichen müssen. Der Konflikt mutet auch ein wenig wie »David gegen Goliath« an, denn die Linie der Stadt wird von fast allen Bürgerschaftsmitgliedern getragen - mit Ausnahme der Grün-Alternativ-Linken-Fraktion (GAL) und den Grünen. Die Pro-Linden-Initiative hat ihre Informationskampagne nur aus eigenen Mitteln und Spenden finanziert, die Stadtplaner setzen dagegen sogar Haushaltsmittel für ihre Öffentlichkeitsarbeit ein.
Unter anderem argumentiert die Stadt mit zwei Baumgutachten, die den Winterlinden keine lange Zukunft prophezeien. Von einem kränkelnden Bestand ist die Rede, so in der Stellungnahme des Instituts für Baumpflege in Hamburg. Ein Lübecker Baum-Fachmann, der ehemalige Leiter des Lübecker Stadtwaldes und inzwischen pensionierte Forstdirektor Dr. Lutz Fähser, widerspricht dieser Beurteilung.
Für Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) sind Rodung und sofortiger Sanierungsbeginn miteinander untrennbar verknüpft. Er kündigte an, dass externe Fördergelder für das 15,6-Millionen-Euro-Projekt wegfallen würden, wenn der jetzige Baumbestand stehen bliebe. Tatsächlich hat das Innenministerium in Kiel durch sein Referat Städtebauförderung mitgeteilt, dass die sechs Millionen Euro aus der Landeskasse für das Projekt bei Verbleib der Linden nicht zur Verfügung stehen. Was aus den in Aussicht gestellten 3,4 Millionen Euro Fördergeldern aus Bundesmitteln werden würde, ist unklar. Saxe bleibt jedenfalls bei seiner Darstellung: Ohne die zugesicherte Fremdförderung in voller Höhe sei das Ganze nicht zu finanzieren.
Einer der prominenten Unterstützer des Pro-Linden-Bündnisses ist Wolfgang Nescovic, einst Bundesrichter und parteiloser Ex-Bundestagsabgeordneter der LINKEN, mit denen er sich 2012 überwarf. Der Jurist meint, dass Saxes ultimative Position - entweder die Linden werden gefällt oder die Straßenumgestaltung findet nicht statt - rechtlich nicht haltbar sei.
Die Kontroverse geht unterdessen weiter. In den vergangenen Jahren wurden die Linden zur Adventszeit vom Lübeck Travemünde Marketing stets mit einer Weihnachtsbeleuchtung dekoriert - dieses Jahr nicht. Fähser glaubt den Grund zu kennen: »Die Linden sollen nahe am Bürgerentscheidtermin natürlich möglichst hässlich aussehen.« Die Illuminierung haben inzwischen aber die Linden-Retter übernommen.
Knapp 178 000 Lübecker sind am Sonntag wahlberechtigt. Mindestens 14 240 Abstimmungsberechtigte müssen für den Linden-Erhalt stimmen, und die Ja-Stimmen müssen die Nein-Stimmen übertreffen - dann hätte das Bündnis gewonnen. Mit mehr als 11 000 Unterschriften für ein Bürgerbegehren war der anstehende Entscheid angeschoben worden, über 10 000 haben bereits per Briefwahl abgesimmt. Der Urnengang kostet die Stadt etwa 180 000 Euro.
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