Baggern oder nicht baggern - das ist die Frage

Die Elbvertiefung ist wieder Thema vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig

  • Markus Klemm
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie sind siegessicher. Alle. Natürlich. Wenn die Juristen und Vertreter der Stadt Hamburg und des Bundes auf der einen und die Delegation der Umweltverbände samt ihrer Anwälte auf der anderen Seite am Montag erneut den Sitzungssaal im Bundesverwaltungsgericht betreten, tun sie dies mit der Überzeugung zu obsiegen - zu gewinnen in einem Fall, der seit viereinhalb Jahren bei den Leipziger Richtern anhängig ist und einen Aktenberg von mehreren tausend Seiten produziert hat. Es geht um die geplante Elbvertiefung zwischen Hamburg und der Nordsee.

Sollte sich das Gericht am Ende der bislang drei vorgesehenen Verhandlungstage tatsächlich entscheidungsreif sehen und dann voraussichtlich im Januar 2017 einen Beschluss fassen, ginge eine rund 15 Jahre dauernde Auseinandersetzung zu Ende. Der erste Antrag der Stadt zum neuerlichen Ausbau der Fahrrinne beim Bundesverkehrsministerium stammt aus dem Jahr 2002. Bereits damals wollte die Landesregierung den Fluss für Containerriesen mit einem Tiefgang von 13,5 Meter unabhängig von Ebbe und Flut schiffbar machen. Tideabhängig sollen es 14,5 Meter sein. Hintergrund: Die Hamburger Hafenwirtschaft sieht sich mit immer größeren Frachtern konfrontiert. Um Arbeitsplätze zu sichern, müsse die Elbe vertieft werden. Dennoch gab es Widerstand: Um ihre Sicherheit besorgte Elbanwohner, um ihr Gießwasser bangende Obstbauern, Elbfischer, kleine Sportboothäfen und sämtliche Umweltverbände - sie alle machten Front gegen die Elbvertiefung.

Als die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord und die Hamburger Wirtschaftsbehörde im April 2012 trotzdem den »Planfeststellungsbeschluss zu Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe« erließen, reichte es den Gegnern. Sie zogen vor Gericht und konnten gleich einen Erfolg erzielen. Damit vor Abschluss des eigentlichen Verfahrens keine Fakten geschaffen werden, verhängte das Bundesverwaltungsgericht einen bis heute geltenden Baustopp aller Baggerarbeiten für das auf mehr als 600 Millionen Euro taxierte Projekt.

Von nun an übernahmen Juristen die Regie - es wurde kompliziert. Im Juli 2014 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt. Ergebnis: Die Richter setzten im Oktober das Verfahren aus. Erst möge der Europäische Gerichtshof (EuGH)in Luxemburg seine Entscheidung zur Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie im ähnlich gelagerten Fall um die Weservertiefung fällen.

Der EuGH entschied am 1. Juli 2015. Unbedingt klarer ist dadurch nichts geworden. So errichteten die Luxemburger Richter für die Vertiefung von Elbe und Weser zwar hohe Hürden, ließen aber auch Ausnahmen zu. Der Gewässerschutz müsse bei Entscheidungen über das Ausbaggern von Flüssen eine wichtige Rolle spielen. Er sei nicht nur eine allgemeine politische Zielvorgabe. Es seien aber Ausnahmen möglich, etwa bei einem großen Nutzen »für die menschliche Gesundheit, die Erhaltung der Sicherheit der Menschen oder die nachhaltige Entwicklung«, hieß es.

Was das genau bedeutet? In der mündlichen Verhandlung in Leipzig dreht es sich zum einen um europäisches Gebietsschutzrecht, etwa um die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, und zum anderen um das europäische Gewässerschutzrecht, wie Hamburgs Rechtsamtsleiter Hans Aschermann sagt. Probleme sehe er dabei nicht. »Es kann nur sein, dass es jetzt noch Meinungsverschiedenheiten gibt über den Grad und den Gegenstand bei Umweltverschlechterungen.« Oder wie Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) es mit Blick auf die Elbvertiefung formuliert: »Zu einem Verbot wird es nicht kommen.«

Das sieht das Bündnis »Lebendige Tideelbe«, ein Zusammenschluss der Umweltverbände BUND, WWF und Nabu, natürlich anders. Die von den Behörden gemachten Fehler seien so gewichtig, »dass das Bundesverwaltungsgericht das nicht positiv durchwinken kann«, sagt deren Anwalt Rüdiger Nebelsieck. In einem Punkt sind sich Kläger und Beklagte dann aber doch einig: Sollte das Gericht nicht weitere Beweisbeschlüsse fassen oder gar noch einmal den Europäischen Gerichtshof involvieren, sondern tatsächlich entscheiden, dann wird das Urteil über Hamburg hinaus in ganz Europa von Bedeutung sein. dpa/nd

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