Restlaufzeit für Pannenmeiler

Atomabkommen Deutschland-Belgien: regelmäßige Treffen und Inspektionen vereinbart

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 2 Min.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hält offenbar nicht viel von dem Atomabkommen, das sie am Montag in Brüssel mit dem belgischen Innenminister Jan Jambon unterzeichnete. »Ich kann damit nicht die Stilllegung von Tihange und Doel durchsetzen, auch wenn ich es gern tun würde«, sagte sie. In den belgischen AKW waren vor einigen Jahren Haarrisse in Druckbehältern entdeckt und diese daraufhin abgeschaltet worden. 2015 erlaubte die belgische Atomaufsicht ein Wiederanfahren der Anlage, das von Pannen begleitet war.

Die Vorfälle hatten in Nordrhein-Westfalen zu Besorgnis geführt - Tihange liegt nur 65 Kilometer von Aachen entfernt. Die Landesregierung ließ Jodtabletten verteilen und schloss sich einer Klage der Region Aachen vor dem belgischen Staatsgerichtshof gegen den Weiterbetrieb an. Auch Hendricks würde die Meiler gern stillgelegt sehen. Belgien habe aber die Verantwortung für seine Energieversorgung und deren Sicherheit. Dort winkt man ab: »Im Moment bin ich 100 Prozent gewiss, dass unsere Atomanlagen sicher sind«, sagte Innenminister Jambon bei der Unterzeichnung.

Das Abkommen soll denn auch nur die Diskussion und den Informationsaustausch zu Sicherheitsfragen erleichtern. Es sieht die Einrichtung einer regelmäßig tagenden Kommission vor, die erste Sitzung soll Anfang 2017 stattfinden. Auch gegenseitige »Besuche« sind laut Hendricks verabredet.

Die Grünen kritisierten das Papier: »Die Bundesregierung hat eine wichtige Chance vertan, das Abkommen mit Leben zu erfüllen«, sagte die Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl. Besonders misslich sei es, dass für Bürger keine Mitsprache verankert worden sei.

Die Städteregion Aachen fordert verbindliche Vorgaben. »Sicherheitsstandards, wie wir sie haben, müssen in vergleichbarer Weise auch bei den Nachbarn vorausgesetzt werden«, sagt Helmut Etschenberg (CDU), der dem Kommunalverband vorsitzt. Würden Standards nicht eingehalten, müsse es Konsequenzen geben.

Die sieben belgischen Druckwasserreaktoren - vier in Doel an der niederländischen Grenze und drei in Tihange - gehören Electrabel, einer Tochter des französischen Energieversorgers Engie. 2003 beschloss Belgien den Ausstieg. Demnach sollten AKW stillgelegt werden, wenn sie 40 Jahre alt sind. Doel-1, Doel-2 und Tihange 3 wären so bereits 2015 abgeschaltet worden. 2009 entschied eine neue Regierung jedoch, die Blöcke zehn Jahre länger laufen zu lassen.

Dabei sprachen sich in Studien bis zu 75 Prozent der Belgier für einen Atomausstieg und Investitionen in Erneuerbare aus. Allerdings ist die Atomlobby sehr einflussreich. Und die Anti-Atom-Bewegung besteht nur aus einigen Hundert Aktiven.

Gleichwohl droht Electrabel Ärger. Die zuständige Behörde nimmt der Firma seit einem Jahr keinen Atommüll mehr ab. Deshalb bleibt dieser in den Atomanlagen - da die Lagerkapazitäten in Tihange und Doel begrenzt sind, steigt der Handlungsdruck.

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