Grünen-Vorschlag zu Sexualassistenz erntet Widerspruch

Boris Palmer: Idee könnte dazu dienen, Grüne »als weltfremde Spinner abzustempeln«

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Die pflegepolitische Sprecherin der Grünen, Elisabeth Scharfenberg, ist mit ihrem Vorschlag zu geförderten sexuellen Dienstleistungen für Pflegebedürftige und Behinderte auf Kritik gestoßen. Die Idee sei »abwegig«, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der »Bild«-Zeitung vom Montag. »Wir brauchen keine bezahlte Prostitution in Altersheimen, schon gar nicht auf Rezept. Was wir brauchen, ist mehr Intimität für die Heimbewohner.«

Scharfenberg hatte in der »Welt am Sonntag« angeregt, eine »Sexualassistenz« für Pflegebedürftige mit Steuergeld von Städten oder Gemeinden zu fördern. »Die Kommune könnte über entsprechende Angebote vor Ort beraten und Zuschüsse gewähren«, sagte die Politikerin. Vorbild seien die Niederlande, wo es bereits seit einigen Jahren die Möglichkeit gebe, sich als Pflegebedürftiger die Dienste sogenannter Sexualassistentinnen - zertifizierter Prostituierter - bezahlen zu lassen.

Die pflegepolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion erntete auch Widerspruch aus der eigenen Partei. Der Grünen-Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, wertete den Vorschlag als schädlich für die Partei im Wahljahr. »Kann man denn als Bundestagsabgeordnete gut gemeinte Ideen nicht einfach mal im Koffer lassen, wenn sie so offensichtlich dazu dienen können, uns als weltfremde Spinner abzustempeln?«, schrieb Palmer auf seiner Seite im Onlinenetzwerk Facebook.

Beim Thema Sexualassistenz geht es dabei in Deutschland noch um ein Nischenthema: Die Zahl der Sexualbegleiterinnen ist überschaubar. Ihre Zahl ist nicht genau erfasst. Lothar Sandfort, Leiter des Institut zur Selbstbestimmung Behinderter (ISBB) spricht von aktuell etwa zehn aktiven ISBB-Sexualberatern. Die Webseite www.sexualbegleitung.com listet neun auf, die Internetseite www.deva-bhusha.de der Sexualbegleiterin Deva Bhusha Glöckner deutlich mehr. Neben dem ISBB bieten auch Einzelpersonen wie auch Prostituierte entsprechende Dienste an. Daneben vermitteln Vereine wie Nessita in Hamburg Sexualbegleiter. Der Verein Kassandra, eine Beratungsstelle für Prostituierte in Nürnberg, bietet in Zusammenarbeit mit der Beratungsorganisation Pro Familia eine Qualifizierung zur zertifizierten Sexualbegleiterin beziehungsweise Sexualassistentin an.

Befürworter der Sexualassistenz betonen oft den Unterschied zur Prostitution. Sexualbegleiter bieten behinderten oder alten Menschen demnach eine gemeinsame Zeit an, die offen ist für sexuelle Kontakte, Sandfort zufolge zugleich aber auch der Persönlichkeitsentwicklung dienen und zu einem positiveren Selbstbewusstsein verhelfen soll. Kunden von Prostituierten zahlen hingegen für die erbrachte sexuelle Handlung. AFP/nd

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