Die Liebe zu den Bakterien

Forscher wollen mit einer neuen Probiotika-Therapie die schützenden Eigenschaften der Haut erhalten oder wiederherstellen

  • Angelika Lensen
  • Lesedauer: 4 Min.

Nicht alle Bakterien führen Böses im Schilde. Ihre überwiegende Mehrheit will uns nur Gutes tun, erzählt Professorin Sarah Lebeer, Mikrobiologin an der Universität Antwerpen. Die bekanntesten Beispiele dafür ließen sich im Darm finden, wo Probiotika den Darm-Transit fördern, so Lebeer weiter.

Die Bezeichnung Probiotika weist auf lebende Mikroorganismen hin: Bakterien, die einen erwiesenen positiven Gesundheitseffekt haben, wenn wir genug davon einnehmen. Sie sind etwa in fermentierten Joghurtdrinks zu finden.

Aktuelle Forschungen der Universität Antwerpen verlegten den Fokus vom Darm auf die Haut und entdeckten auch dort zahlreiche Möglichkeiten, um mit Probiotika das Mikrobiom zu regenerieren. Das Mikrobiom besteht aus einer Schicht von Bakterien und Schimmelpilzen auf unserer Haut, die uns vor Entzündungen und Infektionen schützt. Ist dessen natürliches Gleichgewicht gestört, kann das zu Hauterkrankungen wie Akne oder Fußpilz führen.

Für gewöhnlich rücken wir der Haut mit allerlei Seifen, Antischimmelsprays oder sogar Antibiotika zu Leibe. Das ist zwar effektiv, aber gleichzeitig sehr störend für die natürliche Schutzschicht, was wieder für neue Hautprobleme sorgen kann. Die neue Probiotherapie, die im nächsten Jahr auf den Markt kommen soll, sorgt besonders dafür, dass die schützenden Eigenschaften der Haut erhalten bleiben oder wiederhergestellt werden. Dr. Ingmar Claes von der Universität Antwerpen: »Durch das Aufbringen von guten Bakterien auf Hautstellen, deren Mikrobiom geschädigt ist, kann die Haut ihr Gleichgewicht wiederherstellen und Probleme auf natürliche Weise bekämpfen. Es ist weniger aggressiv und vielmehr eine fortgeschrittene Art von Hautpflege, denn die Hautflora wird nicht angegriffen und es besteht keinerlei Gefahr von Resistenzbildung.«

Wie funktioniert das nun? Dem Biotech-Unternehmen YUN ist es zusammen mit dem Forschungsteam der Universität Antwerpen gelungen, Stämme von positiven Bakterien zu identifizieren und zu selektieren, die stark genug sind, um schlechte Bakterien und Schimmelpilze auf der Haut zu bekämpfen. Sie entdeckten außerdem eine bahnbrechende Lösung, um die Anwendung in die Praxis umzusetzen.

»Normale Konservierungsstoffe, die Hautcremes zugefügt werden, töten alle Bakterien, auch die nützlichen, die wir brauchen. Um das zu vermeiden, entwickelten wir alternative Prozesse. Unter anderem ist es mit Mikrokapseln möglich, Bakterien in einem wässrigen Milieu wie beispielsweise einer Lotion lange Zeit am Leben zu erhalten. Die Bakterien werden in den winzigen Kapseln in eine Art Schlafmodus versetzt, ohne dass sie absterben oder ihre Wirkung beeinträchtigt wird. Erst wenn sie auf die Haut geschmiert werden und mit der Haut in Kontakt kommen, werden sie wieder aktiv und können ihre schlechten Artgenossen unschädlich machen«, verdeutlicht Sarah Lebeer.

Die Forscher glauben, dass die Kombination von patentierten YUN-Bakterien und innovativer Technologie, mit deren Hilfe die Bakterien in die Problemzonen gelangen, die Türen für viele zukunftsweisende Hautbehandlungen öffnet, bei denen die Hautflora intakt bleibt. Auch die Anwendung aggressiver schimmel- und bakterientötender Mittel könnte auf diese Weise abnehmen, wodurch auch das Risiko für Resistenzen sinkt.

»Wir sind absolut davon überzeugt, dass unsere Kinder zukünftig gut damit fahren, wenn wir anfangen, unsere Bakterien zu lieben - statt sie mit allen möglichen Mitteln zu bekämpfen«, so Tom Verlinden, CEO der Firma YUN. »Die Natur hat ihre eigene Art und Weise das Gleichgewicht zu halten und das sollten wir uns zunutze machen. Die Idee, Bakterien mit Bakterien zu bekämpfen, ist wunderbar einfach. Ich habe deshalb auch sofort die Forschungen von Professorin Lebeer befürwortet. Probiotherapie - gute Bakterien verwenden, um das natürliche Mikrobiom zu verstärken - bietet unglaubliche Möglichkeiten, um Hautprobleme auf eine gute Art anzugehen.«

Die wissenschaftliche Suche nach nützlichen Bakterien geht inzwischen weiter. Denn auch für die Behandlung von Krankheiten wie Entzündungen der Nebenhöhlen bieten die »Tierchen« Potenzial. Um das zu unterstützen und zusätzliche finanzielle Mittel zu sammeln, startet das biotechnologische Unternehmen YUN im folgenden Jahr eine Crowdfunding-Kampagne.

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