Winnetous Erben
Ingolf Bossenz über die Macht des Mythos und die Ohnmacht der Überlebenden
Es ist dem Privatsender RTL zu danken, dass das Interesse des fernsehenden Volkes wieder einmal auf ein Volk gelenkt wurde, dessen Schicksal seit 400 Jahren Verfolgung, Verelendung, Vernichtung heißt: die nordamerikanischen Indianer. Auch wenn die nach Weihnachten gesendete »Winnetou«-Neuverfilmung die Geschichte eher klittert als klärt, sind bei solch unterhaltenden Unterfangen seit Karl May die »Roten« die Sympathieträger. Eine bunte Welt, deren schwarze Seiten von fantastischen Vorstellungen und Verstellungen zugedeckt werden. Eher selten ist ein Untersuchungsbericht, wie ihn jetzt nach einer Serie von Suiziden unter Indianern die kanadische Justiz vorlegte.
Die vernichtende Kritik am System der Indianerreservate packt der Report in die Bezeichnung »Apartheid-System«: Das herrschende Gesetz schaffe zwei Sorten von Bürgern - die Ureinwohner und die Nicht-Ureinwohner. Ein System, das in Kanada (wie in den USA) seit 150 Jahren die Überlebenden des Genozids in Elend, Arbeits- und Aussichtslosigkeit zwingt. Menschen, deren Vorfahren in ihrem Kampf um Freiheit und Recht Heere von Schriftstellern und Filmemachern inspirierten, die aber selbst von Lobbyisten-Heeren nur träumen können. Weil sie so friedlich sind? Das RTL-Winnetou-Projekt trug den Untertitel »Der Mythos lebt«. Das mag sein, hat aber einen zynischen Beigeschmack: Denn die Träger des Mythos können davon nicht leben.
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