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Dog Whistle: Rassismus gegen Rechts
Patrick Lempges über die Politik der Hundepfeife
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bleibt mit seiner »Stadtbild«-Aussage im Zentrum der öffentlichen Debatte. Was genau ist so bedeutend an der jüngsten Entgleisung? Es ist die radikale kommunikative Unschärfe als Strategie gegen die AfD. Merz spricht nicht von Kriminellen oder Straftätern. Er sagt nicht einmal Ausländer, Migranten oder Flüchtlinge – er sagt nichts und dieses Vage ist funktional: Es ermöglicht maximale Anschlussfähigkeit an rechte Ressentiments. Sein Ziel ist, dass alle ihre jeweiligen Ressentiments und Ängste auf diese rassistische Leerstelle projizieren können. Es sei doch klar, was er wirklich meint: »Fragen Sie ihre Kinder, fragen Sie ihre Töchter, fragen Sie im Freundes- und Bekanntenkreis herum.« Es ist die Methode der Dog Whistle – der Hundepfeife: Sie mobilisiert Affekte. Wer sie hören will, der hört; wer sich stattdessen empört, dem hält man vor, er interpretiere »zu viel hinein«. Die Aussage wirkt nicht trotz ihrer Unschärfe, sondern wegen ihr.
Warum Merz dies tut, hat er längst dargelegt: Um die AfD klein zu halten, müsse man die Probleme der Menschen durch gute Regierungsarbeit aus der liberalen Mitte heraus lösen und die Unterschiedlichkeit der CDU zur AfD betonen. Seine rassistischen Entgleisungen sind für Merz Teil des ersten Punkts. Er will Wirkmächtigkeit implizieren. Wenn man selbst rassistisch genug ist, wenn man einfach selbst radikal genug kollektiv gegen »die Fremden« vorgeht, dann braucht es ja keine AfD mehr. Nur schwächt Merz damit nicht die AfD, er legitimiert ihre Agenda und stärkt sie.
Seine Strategie gegen die AfD wird nicht funktionieren, denn seine eigenen Leute sind der Grund für die bisherigen Probleme in der Regierung, da er als Kanzler zu schwach ist, um seine Fraktion zu disziplinieren. Zusammen mit seiner neoliberalen Politik des sozialen Elends wird er die AfD nur weiter stärken, bis nicht die AfD verschwindet, sondern er. Die Union wird sich von ihrem schwachen Anführer lossagen und lieber die Koalition mit den Brüdern im Geiste in der AfD suchen, um endlich all das umzusetzen, wofür die SPD zu »woke« sei. Merz bereitet seinen eigenen Untergang vor. Statt sich darüber zu empören, gilt es, sich zu organisieren.
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