»Wir machen uns keine Illusionen«

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Die Umfragen sehen die Bayern SPD bei 14 Prozent. Kennen Sie Reaktionen darauf in Ihrer Partei?
Bisher habe ich niemanden gesprochen, der oder die sich Illusionen über den Ernst der Lage macht. Wir müssen aufpassen, dass das nicht in Resignation umschlägt. Der Erwartungsdruck auf die Spitze der Landespartei wächst, Konsequenzen zu ziehen und Perspektiven aufzuzeigen. Die bisherigen Reaktionen reichen da bei weitem nicht.

Was halten Sie von diesen Umfrageergebnissen?
Auch wenn diese Umfragen nicht eins zu eins zutreffen, halte ich die Tendenz in parteipolitischer Hinsicht für alarmierend. Wir haben es dabei mit einem Rechtsruck auf breiter Front zu tun. Die aggressive Anti-Flüchtlingspolitik der CSU wird honoriert oder zumindest toleriert. Gleichzeitig geht die Rechnung der CSU nicht auf, damit das »rechte« Lager zu integrieren. Im Gegenteil: die AfD legt weiter zu, ebenso die »Freien Wähler«, die sich auch immer mehr am rechten Rand zu profilieren suchen.

Zur Person

Klaus Barthel sitzt seit 1994 als SPD-Abgeordneter für das bayerische Oberland (sein Wohnort liegt im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen) im Bundestag. Der 61-jährige Gewerkschaftssekretär und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen gilt als dem linken Flügel der SPD, soweit noch vorhanden, zugehörig. Ihn befragte Rudolf Stumberger zu den jüngsten Wahlprognosen.

Die Grünen liegen derzeit bei 13 Prozent. Profitieren sie von der Schwäche der SPD?
Im linken Spektrum profitieren weder Grüne noch Linkspartei von der Schwäche der SPD. Dies gilt, obwohl das Meinungsbild laut derselben Umfrage bei Sachthemen nicht identisch mit den parteipolitischen Präferenzen ist: die Einstellungen beispielsweise Flüchtlingen gegenüber decken sich in relevanten Teilen nicht mit der Politik der bevorzugten Parteien. Hier wie bei anderen Inhalten liegt unsere Chance: Mit klaren Haltungen und klaren Konzepten müssen wir sichtbar machen, dass die schrille Flüchtlingsdebatte der verzweifelte Versuch der CSU ist, durch Ablenkung von eigenen Defiziten etwa in der Landesentwicklungs-, Wohnungs-, Kinderbetreuungs-, Bildungs- und Sozialpolitik das eigene Lager zusammen zu halten. Das wird aber auf die Dauer nicht funktionieren.

Glauben Sie, dass die Politik der Bundespartei daran mitverantwortlich ist?
Ja. Unsere Erfolge dringen nicht ins Bewusstsein, weil der weitere Weg unklar ist. Rente? Zukunft der Arbeit? Steuern? ... Die Konzepte liegen vor, Entscheidungen werden verschoben und verwischt. Die Signale widersprechen sich. Aber: die Spitze der Bayern SPD kann sich hiervon nicht freisprechen. Entgegen klaren Parteitagsbeschlüssen hat sie die Bundesparteiführung immer wieder gestützt, zuletzt bei CETA und Rente.

Was macht die Bayern-SPD falsch?
Auch wenn sie es in Teilen nicht ist: Die Bayern-SPD wirkt farblos und als Außenstelle einer Berliner Zentrale. Wir brauchen ein in Bayern und von Bayern aus entwickeltes bayerisches SPD-Profil, das die Besonderheiten unseres Bundeslandes in Rechnung stellt.

Wie groß sehen Sie noch immer die Auswirkungen von Hartz IV für die SPD?
Hartz IV ist ein Symbol für Abstiegsgefahr, Verlustangst und Ohnmacht. Auch im relativ reichen Bayern gibt es viele direkt betroffene und noch viel mehr Menschen, die ahnen, was es für sie bedeuten könnte. Und: Hartz ist Ausdruck für knallharte Sparpolitik, die viele Menschen nicht mit ihrem Gerechtigkeitsempfinden in Einklang sehen, wenn sie an anderer Stelle Großzügigkeit des Staates sehen oder auch nur vermuten.

Was wird das zentrale Wahlkampfthema der Bayern-SPD 2017?
Das entscheide ja nicht ich allein. Ich kann uns nur raten, nicht über die Stöckchen zu springen, die man uns hinhält. Wir sollten setzen auf den Dreiklang Gerechtigkeit, soziale Sicherheit und Gute Arbeit.

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