Scheinsieg
Guido Speckmann über eine vermeintliche Schlappe für Theresa May
Der Sieg der Brexit-Gegner könnte sich als Scheinsieg entpuppen. Zwar wies der Oberste Gerichtshof die britische Regierung in die Schranken. Premier May muss das Parlament beim Einreichen des Scheidungsantrages in Brüssel vorher befragen. Doch das Parlament wird May allenfalls kleine Steine in den Weg legen, obwohl eine Mehrheit im Grunde für den Verbleib in der EU ist. Vermutlich wird der Artikel 50 des Lissabon-Vertrags nicht einmal verzögert ausgelöst werden. Denn der Geist des »Volkswillens«, von David Cameron aus parteitaktischem und machtpolitischem Kalkül leichtfertig aus der Flasche gelassen, ist nicht mehr einzufangen. Nur ein paar Dutzend Abgeordnete werden voraussichtlich gegen die Einleitung des Brexits stimmen. Die anderen fürchten Volkes Zorn.
Eine ausgemachte Schlappe wäre es gewesen, wenn May Rücksicht auf die EU-freundlichen Schotten und Iren hätte nehmen müssen. Muss sie aber nicht, urteilten die Richter.
Dass die britische Regierung sich enttäuscht über das Urteil zeigt, ist Taktik. Sie hat schon die Gesetzesvorlage für das Parlament ausarbeiten lassen. Zudem zeigte sich May letzte Woche gnädig und räumte dem Parlament ein, auch über das Ergebnis der Verhandlungen abstimmen zu lassen. Der Weg scheint somit frei für Mays angekündigten harten Brexit.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.