Licht aus!

Meditation & Rock’n’Roll

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 2 Min.

Einzelteile aus Kompositionen des Pianisten Dustin O’Halloran wurden schon von Automobilkonzernen oder Möbelhäusern für Werbekampagnen verwendet. Es handelt sich demnach nicht gerade um musikalisches Material, mit dem man Revolutionen auslöst. Und der Mann zählt Komponisten wie Arvo Pärt und Philip Glass zu seinen Lieblingen, Künstler also, deren Werke eher zu Meditation und Kontemplation einladen als zu Remmidemmi und Rambazamba. Bei O’Hallorans Werken taucht der Hörer ein in eine beruhigend tönende Parallelwelt, wird weggebeamt aus dem tristen Alltag und eingewickelt in einen bittersüßen, warmen Streicher-Sound.

O’Hallorans musikalischer Partner, der zwischen Post-Rock und Ambient hin- und herwandernde Soundbastler Adam Wiltzie, steuert dazu bedeutungsheischendes Brummeln und rhythmisches Zischeln, Tuckern und Knarzen bei. Das an- und abschwellende Zischeln, Tuckern und Knarzen, so ist anzunehmen, soll den Spannungsaufbau musikalisch begleiten. Es handelt sich nämlich hierbei um den Soundtrack zu dem französischen Psychothriller »Iris«: Aufgenommen hat das Duo O’Halloran/Wiltzie, das sich den drolligen Namen A Winged Victory For The Sullen gegeben hat (ungefähr: Ein beschwingter Sieg der Verdrießlichkeit), die Filmmusik gemeinsam mit einem großen Orchester.

Das Duo verkörpere »die Zukunft der Spätabend-Platte, von der man immer geträumt« habe, hat das Label der beiden Musiker einst anlässlich des Erscheinens ihres Debütalbums vor einigen Jahren behauptet. Soll heißen: Man kann diese geruhsam und majestätisch durch die Sphäre gleitende Neoklassik im Breitwandformat, die ausgezeichnet als extensive Pausenmusik fürs Gehirn funktioniert, gut im Sitzen oder, besser noch, im Liegen hören, verbunden mit dem Genuss von zwei bis sechs ordentlich eingeschenkten Gläsern schweren Rotweins. Wobei es sich empfiehlt, unter Umständen noch vorhandenes restliches Tageslicht konsequent auszusperren oder der Einfachheit halber gleich einen großen fensterlosen Raum zu wählen. Am besten macht es sich, meine ich, wenn sämtliche Wände und Möbelstücke sorgfältig mit schwarzem Brokatstoff bezogen sind. Dann wird man nicht von Bildern an den Wänden, Kleinkram im Regal und anderem Schnickschnack abgelenkt und kann sich besser in den schweren, dicken Musikteppich fallen lassen, den das 40-köpfige Orchester ausrollt.

Verwiesen sei hier am Rande auch noch auf das Berliner Trio Mondo Fumatore, das nun schon seit 20 Jahren existiert und vor kurzem sein viertes Album mit fröhlich schepperndem Gute-Laune-Kaugummi-Pop und Sixties-Garagenrock mit vielen lustigen »Heys«, »Ooohs« und »Aaahs« herausgebracht hat. Verdienstvoll!

A Winged Victory For The Sullen: »Iris« (Erased Tapes)

Mondo Fumatore: »The Yeah, The Yeah And The Yeah« (Rewika)

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