Freilandeier als Auslaufmodell

Wegen der Stallpflicht müssen Produkte bald umdeklariert werden - mit finanziellen Folgen

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die weiterhin grassierende Geflügelpest sorgt dafür, dass Eier mit dem Vermerk »Freilandhaltung« sukzessive aus den Verkaufsregalen verschwinden. Laut den EU-Vermarktungsvorschriften werden alle Eier, sofern nicht als Bioeier zertifiziert, zwölf Wochen nach der Aufstallungspflicht zu Eiern aus Bodenhaltung. Das dürfte zu Einbußen bei etlichen Anbietern führen,

Um diese abzufedern, wird in Schleswig-Holstein das Landwirtschaftsministerium einen Entschädigungsfonds im Umfang von 850 000 Euro bereitstellen, wie Agrarminister Robert Habeck (Grüne) jetzt ankündigte. Aus diesem Topf dürfen pro Betrieb maximal 15 000 Euro gezahlt werden. Diese Obergrenze hat nicht der Minister festgesetzt, sondern ist ebenfalls EU-rechtlich geregelt.

Für ein Ei aus Bodenhaltung zahlt der Verbraucher drei bis vier Cent weniger. Betroffen von der Umdeklarierung sind im nördlichsten Bundesland insgesamt 57 Betriebe mit etwa einer Viertelmillion Hennen. Allein Großhändler Hans-Peter Goldnick aus dem Kreis Segeberg, von dessen Geflügelhof täglich über 30 000 Eier in den Handel kommen, rechnet ab nächstem Monat mit Einnahmeverlusten von weit über 15 000 Euro.

Am stärksten von der Vogelgrippe betroffen sind die drei nördlichen Bundesländer. Gemeinsam mit seinen Ministerkollegen Till Backhaus (SPD) aus Mecklenburg-Vorpommern und Christian Meyer (Grüne) aus Niedersachsen hat Habeck Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) auf die Problematik hingewiesen - bisher vergeblich. Bundeshilfen oder eine Intervention auf EU-Ebene sind nicht in Sicht, auch wenn es aus Schmidts Ministerium heißt, man befinde sich in Gesprächen.

Das Risiko, die Stallpflicht einige Tage auszusetzen, um eine neue Zwölf-Wochen-Frist beginnen zu lassen, wie es in der Vergangenheit bereits in den Niederlanden praktiziert wurde, will indes niemand eingehen. Da die Vogelgrippe offenbar mit einer zweiten Seuchenwelle unterwegs ist, verlängerte Habeck die Stallpflicht auf unbestimmte Zeit. Bis auf das Saarland sind bundesweit alle Bundesländer betroffen, in Europa 23 Staaten. In der vergangenen Woche ist im Kreis Steinburg in Schleswig-Holstein europaweit erstmals der neue Erreger-Subtyp H5N5 in einer Nutztierhaltung aufgetreten. Die gesamte Putenzucht an vier Standorten mit über 33 000 Tieren wurde daraufhin gekeult. Der Landrat des Kreises Steinburg hatte sogar Katastrophenalarm ausgerufen, um für die Krisenbewältigung zusätzliches Personal bei Polizei, Feuerwehr und anderen Hilfsorganisationen heranziehen zu können.

Habeck als strikter Verfechter der Stallpflicht, die die Ausbreitung der hochpathogenen Erreger verhindern soll, stößt mit seiner Haltung aber auch auf Widerspruch. Am Samstag versammelten sich Tierschützer und Kritiker der bestehenden Regeln, darunter Rassegeflügelzüchter, auf Einladung des »Aktionsbündnisses Vogelfrei« zu einem Symposium in Kiel. Sie zweifeln an der bisher von der Bundesforschungseinrichtung für Tiergesundheit, dem Friedrich-Loeffler-Institut, vertretenen These, dass eine Übertragung verschiedener H5N-Erreger ausschließlich infizierten Wild- und Zugvögeln zuzuschreiben sei.

Mancher Kritiker schießt allerdings weit übers Ziel hinaus: Minister Habeck machte gerade öffentlich, dass er und seine Familie Drohungen bekämen. An seine Privatadresse seien sogar Vogelkadaver geschickt wurden.

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