Zu teuer fürs Publikum

Der Filmstandort Berlin kämpft mit Hindernissen

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin und Brandenburg bleiben Filmstandort Nummer zwei in Deutschland. Jahrelang rangelten sie mit Nordrhein-Westfalen um die Spitze bei den Steuerausgaben für die Förderung. 31,8 Millionen Euro spendierten sie 2016 für den Film. Nun sind jedoch die Bayern vorbeigezogen, wo das kommerziell erfolgreichste Werk »Willkommen bei den Hartmanns« produziert wurde.

Gefühlt ist Berlin-Brandenburg jedoch schon längst die Nummer eins. 22,7 Millionen flossen in die Produktion, ein Viertel der Ausgaben an internationale Projekte. »Bibi & Tina«, »Vier gegen die Bank« und »Ich bin dann mal weg« lockten mehr als eine Million Zuschauer an. »Toni Erdmann«, Gewinner des Europäischen Filmpreises, wurde in 100 Länder verkauft. Der Film gilt als Favorit bei der Oscarverleihung, nachdem der Golden-Globe-Gewinner, der Erotikthriller »Elle«, von den prüden Amerikanern nicht nominiert wurde. Nur »The Salesman« aus Iran gilt als Konkurrent.

Das Beispiel »Toni Erdmann« zeigt, woran das System krankt: Ohne die Auslandsverkäufe würden die Produzenten bis heute kaum schwarze Zahlen schreiben. Der durchschnittliche deutsche Film ist schlicht zu teuer für sein hiesiges Publikumspotenzial. Doch preiswerter geht es nicht, wenn Tariflöhne gezahlt werden.

Auch die Rückzahlquote der Darlehen beim Medienboard ist gering - nur einer von zehn Euros fließt zurück. Der Landesrechnungshof Brandenburg kritisiert das als zu wenig. Ebenso bemängelt er das Intendantenprinzip und die unzureichende Dokumentation der Förderentscheidungen. Bei letzterem hat das Medienboard nachgebessert. Dass deren Chefin Kirsten Niehuus im Gegensatz zu Kollegen in den anderen Bundesländern aber alleine auswählt, welcher Film gedreht wird, bleibt eine politische Entscheidung.

Die Finanzwächter sehen auch den sogenannten Regionaleffekt kritisch. Er besagt, dass für einen Euro aus dem Medienboardtopf fünf in der Region ausgegeben werden sollen. Eine Mogelpackung, meint der Rechnungshof, da auch Steuergelder des Bundes zählen. Er möchte nur die privaten Investitionen berücksichtigt sehen - dann würde ein Euro auf einen Euro Förderung kommen.

Doch ohne die staatliche Finanzspritze läuft in Deutschland keine Kamera. Noch ist auch der 2015 von der Filmbranche beschworene Paradigmenwechsel, auf Klasse statt Masse zu setzen, nicht spürbar. Mehr als 200 deutsche Filme buhlten 2016 um die Aufmerksamkeit, 60 Prozent davon erreichten aber nicht mal 20 000 Zuschauer.

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern gelingt es zu selten, aktuelle Themen in populäre Genres zu packen. »Ziemlich beste Freunde« löste beispielsweise in Frankreich einen regelrechten Inklusions- und Integrationskomödienboom aus. Mit Ausnahme der Komödie wird das hiesige Genrekino aber nicht gepflegt, provokante Dramen sind die Ausnahme. Zu viele Filme leiden unter schlechten Drehbüchern, in deren Entwicklung flossen nur 600 000 Euro. Und auch der Vertrieb bleibt im Vergleich Förderstiefkind. Manch ein Filmjuwel bekommt so niemals eine Chance.

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