Der Bankenmischwald wird gerodet

Klaus Euler sieht die nächste Finanzkrise kommen, wenn die Politik weiter auf die Macht der Großbanken setzt

  • Klaus Euler
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach dem Ende der Finanzkrise von 2008 haben alle europäischen Entscheidungsträger, allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel, betont, »too big to fail« werde es nicht wieder geben. Nie wieder solle der Steuerzahler für die Risiken der Banken haften. Eingetreten ist allerdings das Gegenteil. Banken werden trotz Finanzkrise und politischer Versprechen nicht stabiler, sondern größer und instabiler. In den Niederlanden, Griechenland und Belgien beträgt der Marktanteil der fünf größten Banken rund 80 Prozent. In Deutschland ist dieser Anteil von 2008 bis 2012 von 23 auf 33 Prozent rasant gestiegen. Die Deutsche Bank wankt vor aller Augen und die italienische Großbank Monte dei Paschi wird unter Umgehung bestehender Gesetze gerettet.

In diesem Kontext erscheint die Frage berechtigt, warum die Macht der Großbanken und ihre Systemrelevanz nicht beschnitten wird, damit die Gesellschaft von einzelnen, aber großen Banken bei einer wirtschaftlichen Schieflage nicht erpresst werden kann.

Die meisten Staaten der Europäischen Union sind hoch verschuldet. Die Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) ist der sichtbare Ausfluss davon. Um die Verschuldung in den Griff zu bekommen, will Europa sein Wirtschaftswachstum deutlich steigern. Die Wirtschaftspolitik der Europäischen Union setzt daher im Kern auf globalisierte Märkte, in denen multinationale Konzerne mittels hoher struktureller Marktmacht für mehr Warenabsatz in Europa und dem Rest der Welt sorgen sollen. So wird die Druckerpresse angeworfen, die Geldmenge deutlich ausgeweitet und Geld quasi zum Nullzinstarif an Investoren zur Stimulation des fehlenden Wachstums großzügig verteilt. Diese Geldmenge ist allein seit dem Jahr 2000 von 4,7 Billionen Euro um 240 Prozent auf nunmehr 11,3 Billionen Euro in der EU angestiegen.

Diese Geldpolitik ist mit Nebenwirkungen verbunden. Sparer werden durch negative Realzinsen enteignet. Die private Rentenvorsorge einer ganzen Generation wird sich durch einen veränderten Rechnungszins deutlich reduzieren und unrentable ökonomische Investitionen führen zu Blasenbildungen auf den Märkten.

Im Kontext eines ungebremsten globalisierten Wachstums setzt die verantwortliche Politik zwangsläufig auf eine ebenfalls globalisierte Finanzindustrie. Vertreter der EZB fordern unter Umgehung ihrer Neutralität mittlerweile »supranationale Banken« für die EU. Mit dieser Kampfansage wird man mittelständische Banken aus dem Markt drängen, um den dringend benötigten Wachstumsrahmen für schwächelnde Konzernbanken zu schaffen.

Als Hebel wird die unbestreitbar notwendige Bankenregulierung missbraucht. Statt die Regulierung auf materiell wichtige Kernforderungen, wie angemessene Eigenkapitalquoten der Banken, zu fokussieren, ersinnt die EU monströse Regelungswerke, welche die Banken nicht unbedingt stabiler machen, aber etwa mittelständische Sparkassen und Genossenschaftsbanken garantiert überfordern. Sie werden so mittelfristig ebenfalls zum Zusammenschluss zu neuen Bankkonzernen gedrängt, mit dem paradoxen Ergebnis, dass auch hier Oligopole entstehen werden, die dann ebenfalls »too big to fail« sind.

Damit setzen die Verantwortlichen die Systemstabilität des Bankensektors leichtsinnig aufs Spiel, die eben gerade nicht durch wenige systemrelevante Großbanken gesichert werden kann. Vielmehr muss das Risiko einer wirtschaftlichen Schieflage auf viele Banken und Konzepte verteilt werden. Wenn in einem vielfältigen »Bankenmischwald« eine Schieflage einer Bank entsteht, ist das für die Gesellschaft belanglos und der Marktteilnehmer scheidet stillschweigend und verdient aus. Das ist funktionierender und fairer Wettbewerb. Alles andere führt zu einer Vormachtstellung der Oligopole und dem Verlust der Demokratie.

Durch die geldpolitischen Maßnahmen der EZB ist bisher nur verlorene Zeit gekauft worden, die erhofften Wirkungen sind ausgeblieben. Das kränkelnde Wirtschaftssystem der Europäischen Union wird durch geldpolitische Maßnahmen alleine nicht zu retten sein; vielmehr sind grundlegende Strukturreformen der europäischen Staaten erforderlich. Politik und Banken werden ohne eine grundlegende Reflexion des bestehenden ökonomischen Systems schnurstracks in die nächste noch größere Krise schlittern.

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