Wer die Quellnymphe stört

In Leipzigs Zoo wurden vor vielen Jahrzehnten mehrere Skulpturen aufgestellt - der Sohn eines früheren Direktors verlangt sie als sein Erbe

  • Jörg Aberger, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.

Leipzig. Besuchern des Leipziger Zoos mögen sie beim Rundgang durch die Anlage unter Umständen nicht einmal ins Auge fallen, die »Jasongruppe«, die »Quellnymphe«, »Die Badende« und »Der Athlet«. Doch was für den oberflächlichen Betrachter als künstlerisches Beiwerk auf dem Gelände des Tierparks durchgehen mag, sorgt derzeit für Streit. Der Sohn des ehemaligen Zoodirektors Johannes Gebbing, Johannes Gebbing junior, beansprucht das Eigentum an den Skulpturen von Künstlern wie Max Klinger und Ferdinand Barth als Erbe seines Vaters für sich. Die Stadt Leipzig erkennt dies aber bislang nicht an.

Für Hannes Hartung, den Anwalt Gebbings, ist die Sache klar: »Die Kunstwerke gehören der Familie Gebbing.« Verschiedene Dokumente sprächen eindeutig dafür, dass Johannes Gebbing senior die Skulpturen als Privatmann und nicht etwa in seiner Eigenschaft als Direktor des Leipziger Zoos erworben habe. »Hiermit bestätige ich Ihnen, dass Sie persönlich von mir die Broncefiguren: ›Der Athlet‹ und ›Die Badende‹, beide von M. Klinger, und die ›Quellnymphe‹ von Prof. Barth, käuflich erworben haben«, teilte der Kunstsammler und Unternehmer Max von Bleichert dem Zoodirektor im Jahr 1932 mit. Allerdings geht aus dem Schreiben nicht eindeutig hervor, in welcher Eigenschaft Max von Bleichert diese Bestätigung abgab.

Die Stadt sieht sich derzeit nicht verpflichtet, Gebbing als Eigentümer anzuerkennen. »Das Begehren von Herrn Gebbing wird geprüft, entsprechende Recherchen sind bislang nicht abgeschlossen«, teilte ein Stadtsprecher mit. Die Stadt habe selbst »zu diesem komplexen Sachverhalt ein eigenes hohes Aufklärungsinteresse«. Kompliziert an der Sache ist unter anderem, dass die Direktorenzeit von Johannes Gebbing senior bereits 1934 endete, mithin inzwischen mehr als 80 Jahre ins Land gegangen sind.

Dass die Sache erst jetzt zum Thema wird, hat damit zu tun, dass Johannes Gebbing junior nach eigenen Angaben erst im vergangenen Jahr bewusst wurde, dass die Skulpturen zum Erbe der Familie gehören könnten. Dies entnahm er Unterlagen, die er nach dem Tod seines Bruders im vergangenen Jahr sichtete. 1944 soll Gebbing senior bereits vergeblich die Herausgabe der Kunstwerke eingefordert haben. Dass dieser Anspruch nicht weiter verfolgt wurde, erklärt Gebbing junior damit, dass es damals existenziellere Fragen gegeben hätte. »Nachdem eine Bombe das Aquarium und Terrarium zerstört hatte, schwammen in der Pleiße Krokodile und Schlangen«, erzählte er im vergangenen Jahr der »Süddeutschen Zeitung«.

Zu DDR-Zeiten wurde die Frage nach dem Eigentum dann offenbar nicht erneut gestellt. Belege dafür, dass die Skulpturen im Zoo etwa zu Volkseigentum erklärt wurden, gibt es bislang nicht.

Gebbings Anwalt, der als Vertreter des im Jahre 2014 gestorbenen Münchener Kunstsammlers Cornelius Gurlitt - Stichwort: »Schwabinger Kunstfund« - bekannt ist, äußerte einen Verdacht: »Die Stadt will Zeit schinden, setzt auf eine biologische Lösung«, mutmaßt der Jurist. Schließlich sei Gebbing junior inzwischen schon 86 Jahre alt. Diesen Verdacht weist die Stadtverwaltung vehement zurück. »Die Stadt spielt nicht auf Zeit«, heißt es unzweideutig im Rathaus.

Die Verwaltung gibt vielmehr den Ball zurück: »Wir sind (...) irritiert, weil (...) Restitutionsansprüche mehr als 25 Jahre nach der Wiedervereinigung geltend gemacht werden.« Diese hätten in einschlägigen Rechtsverfahren unter Berücksichtigung »von längst abgelaufenen Antragsfristen« bereits geklärt werden müssen. dpa/nd

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