Trump hört die Graswurzeln wachsen

Die US-Protestbewegung gegen den Präsidenten wächst unaufhörlich im Kleinen und plant unverdrossen das Große

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn in einem Vorort von West Palm Beach in Florida Tausende mit selbst gemalten Plakaten und wütenden Sprechchören gegen den neuen US-Präsidenten demonstrieren, dann staunen selbst die Uneingeweihten und Rechten. Die Gegend gilt als Republikanerhochburg. »Resist« heißt es, »Pussy grabs back« (Pussy beißt zurück) und »Not my President« (Nicht mein Präsident). Als sich die Menge dem Edelresort Mar-A-Lago nähert, wo Donald Trump seine Winterwochenenden verbringt, skandieren Dutzende »No Trump, no KKK, no fascist USA«.

Auch an diesem Wochenende wird wieder in den gesamten USA demonstriert. Dafür sorgen die rasant anwachsenden Graswurzel-Gruppierungen und Bürgerinitiativen. Manche engagieren sich, weil sie Trumps frauenfeindliche Sprüche als direkten Angriff auf sich selbst empfinden und über Hillary Clintons Niederlage enttäuscht sind. Andere zählen Trumps Dekrete auf und befürchten das Ende der amerikanischen Demokratie. Bei den meisten hat die Kombination aus dem irren, rechten Präsidenten und den Republikanermehrheiten im Kongress und vielen Einzelstaaten Ängste ausgelöst.

Seit Trumps Amtsübernahme machten die Grassroots-Bewegungen mit zwei Massenmobilisierungen auf sich aufmerksam: am 21. Januar mit dem »Women’s March« mit der Rekordzahl von mehr als fünf Millionen Menschen sowie die über soziale Medien organisierten Proteste an Flughäfen gegen Trumps Einreisestopp. Eine Übersicht über die Verstaltungen und die Gesamtzahl der Teilnehmer an kleineren Orten ist bisher unmöglich.

Die Empörten können sich am Organisationstalent bestehender Graswurzel-Initiativen und älterer Bürgerrechtsorganisationen orientieren, etwa Black-Lives-Matter, Occupy-Wall-Street, LGBTQIA, American Civil Liberties Union (ACLU), Klimaschutz-Gruppierungen, Frauenverbände und die weiter bestehenden Netzwerke aus dem Wahlkampf des demokratischen Sozialisten Bernie Sanders. Eine zentrale Stellung nimmt der »Women’s March« ein, der von jungen, Sanders-nahen Aktivistinnen organisiert worden war. Ihre Webseite hat einen Aktionsplan für die ersten 100 Tage der neuen Regierung vorgelegt. Zur Zeit stehen Anrufe und Petitionen auf dem Programm, mit denen Abgeordnete gedrängt werden sollen, Trumps nominierte Minister zu verhindern. So gingen in den Büros von Abgeordneten und Senatoren Millionen von Anrufen ein. Aus den US-Einzelstaaten wird berichtet, dass republikanische Politiker auf Schritt und Tritt von empörten Bürgern verfolgt und aufgefordert werden, sich von Trump zu distanzieren. Aber auch etablierte Demokraten, die sich Hillary Clinton verschrieben hatten, geraten unter den Druck junger Graswurzel-Aktivisten, die mit der alten Parteilinie - Orientierung von einem Wahlkampf zum nächsten - nichts mehr anfangen können. In der Demokratischen Partei ist deshalb ein Richtungskampf ausgebrochen, dessen Ausgang offen ist.

Die Online-Mobilisierung über soziale Medien erreicht auch diejenigen, die vor öffentlichen Versammlungen zurückscheuen. Die Bürgerrechtsvereinigung ACLU nahm beispielsweise auf diesem Weg an einem Wochenende rund 25 Millionen Dollar Spenden ein. Ein nach Bekanntwerden von Trumps sexistischen »Pussy«-Grabscher-Bemerkungen auf Twitter verbreitete Boykottkampagne »GrabYourWallet« (in etwa: Grabsch dir deinen Geldbeutel) verbreitete sich so rasant, dass der Chef des Taxi-Internetunternehmens Uber sich aus Trumps Wirtschaftsrat wieder zurückzog. Der jüngste Erfolg dieser und weiterer Boykottaufrufe ist der Rückzug von Einzelhändlern wie Nordstrom und Neiman Marcus, die Produkte der Trump-Tochter Ivanka aus ihrem Sortiment nehmen. Inzwischen existiert sogar eine Gratis-App »Boycott Trump«.

Für den Schutz »illegaler« Einwanderern und gegen die antimuslimischen Dekrete haben sich schon vor Wochen Hunderte Bürgerinitiativen gebildet, die ihre Orte zum »sanctuary« erklärt haben und der Bundespolizei den Zugang erschweren.

Aber wie geht es weiter? Massenmobilisierungen und Boykotte seien ausreichend, um etwa Trumps Einreisestopp zu verhindern, aber angesichts des drohenden sozialen Kahlschlags zu wenig. Das sagte beispielsweise eine der Organisatorinnen des Women’s March, Linda Sahour aus Brooklyn, gegenüber »nd«. Die Gewerkschaften müssten sich beteiligen, es müsse Streiks und Aktionen geben, die »die Wirtschaft unter Druck setzen«. Nur davon lasse sich die Trump-Regierung beeindrucken. Das nächste Großziel, über das die Aktivisten debattieren, ist ein »Generalstreik« am 17. Februar. Da sich die Gewerkschaften aber bedeckt halten, wird es kaum zur US-weiten Arbeitsniederlegung kommen.

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