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Schäubles Albtraum

Der Finanzausgleich der Länder liegt dem Bundestag vor, doch der soll nicht daran rühren

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.

Wenn Carsten Schneider den Bundesfinanzminister anspricht, klingt es wie »Mister Schäuble«. Der Haushaltspolitiker der SPD im Bundestag kommt aus Thüringen, und manchmal »hört man das vielleicht auch«, wie Schneider selbst einräumt. Am Donnerstag widersprach er Mi-ni-ster Wolfgang Schäuble (CDU) ein wenig, als er ankündigte, dem Gesetzespaket zum Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern bei den Beratungen im Haushaltsausschuss auf den Zahn zu fühlen. Allerdings bezog sich Schneider dabei auf Details wie den Bundesrechnungshof, der neue Kontrollrechte über Bund- und Landesverwaltungen erhalten soll. Der Bund erhält mehr Eingriffsrechte in bisherige Länderkompetenzen auch bei Investitionen in Schulen oder bei Fernstraßen. Und der Stabilitätsrat soll künftig neben der Schuldenbremse des Bundes auch die Bremsen der Länder im Auge behalten.

Schäuble hatte dafür geworben, an dem in »schwierigen, langen Verhandlungen mühsam erzielten Kompromiss« nicht mehr zu rühren. Verhandlungen zwischen Bund und Ländern waren nötig geworden, weil der 2019 auslaufende Solidarpakts einerseits und die Aufkündigung des Länderfinanzausgleichs durch finanzstarke Länder im Westen andererseits neue Finanzierungswege erzwangen. Bayern und Hessen waren drauf und dran, sich von ihren Verpflichtungen notfalls auf dem Klageweg zu befreien. Wie ein Wunder erschien es daher manchem, als im letzten Oktober ein Kompromiss gemeldet wurde, der die ostdeutschen Länder weniger entbehrungsreich zurückließ, als diese befürchtet hatten und die Geldgeberländer zufriedenstellte, weil sie ihre Ausgaben künftig tatsächlich sparen. Der Bund zahlt dafür jährlich 9,7 Milliarden Euro ab dem Jahr 2020, was 4,3 Milliarden Euro mehr sind als die Summe, die er derzeit pro Jahr aufbringt. Die Summe werde mit den Jahren »aufsteigen«, wie Schäuble anmerkte. Trotzdem dürften die strukturellen Unterschiede zwischen armen und reichen Ländern wachsen, wie Carsten Schneider bemerkte, weil die ostdeutschen Länder ab 2020 weniger Mittel bekommen als bisher, während die Geberländer nun ihr Geld behalten. Dem mit dem Gesamtpaket gefundenen Kompromiss wollte Schneider, will die SPD ihre Zustimmung denn freilich nicht versagen.

Diesen Part übernahm Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der LINKEN - obwohl auch er mit Zwischenrufen überhäuft wurde, die ihm die Zustimmung von Bodo Ramelow vorhielten, der als LINKER und Ministerpräsident von Thüringen am ausgehandelten Kompromiss beteiligt war. Bartsch lobte durchaus, dass es gelungen sei, mit dem Gesetzespaket die »Wortführer des Ellbogenföderalismus« aus Bayern und Hessen zu stoppen. Zugleich kritisierte er, dass darin die Logik der Schuldenbremse unverändert bleibt. Die »negativen Folgen dieser Logik« würden bei den Kommunen abgeladen, eine Art Troika für die Bundesländer sei geschaffen, sagte Bartsch unter Anspielung auf die Troika aus IWF, EU und EZB, die etwa Griechenland zu harter Austeritätspolitik zwingt.

Besondere Kritik übt die LINKE an der geplanten Bundesfernstraßengesellschaft, die die Planung, Instandhaltung und Finanzierung der Autobahnen vollständig auf den Bund verlagert und »Finanzierungen in Form von öffentlich-privaten Partnerschaften« ermöglicht, wie Schäuble formulierte. Die LINKE sieht hier das Tor zu Privatisierungen geöffnet. Ihre Gegenanträge wurden jedoch bereits am Donnerstag abgelehnt und sind damit dem Gesetzgebungsverfahren entzogen. Die geplante Gesellschaft sei ein Geschenk an Versicherungen und Konzerne und deren Renditeerwartungen, beklagte Bartsch.

Vor den Beratungen im Bundestag hatte der Leipziger Finanzwissenschaftler Thomas Lenk in dieser Woche eine detaillierte Analyse der beschlossenen Zuwendungen des Finanzausgleichs vorgelegt. Im Durchschnitt erhielten die Länder pro Einwohner 231 Euro mehr als bisher, errechnete Lenk. Doch die Summe verteilt sich sehr ungleichmäßig. Während Sachsen-Anhalt sich mit einem Plus von 133 Euro begnügen muss, erhalte Bremen 490 Euro pro Bürger. Auch Sachsen, Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern lägen unter dem Durchschnitt. Lenk errechnete zudem, dass bei steigenden Steuereinnahmen die Ausgleichszahlungen so weit sinken, dass unter Umständen ein Minus herauskommt. Damit entfalle der Anreiz zur Generierung von Steuereinnahmen.

Auch Bartsch monierte, dass der Bund auf Privatisierung, aber zu wenig auf Einnahmen setze. Und er wandte sich an die SPD. Deren Kanzlerkandidat Martin Schulz beklage Ungerechtigkeit im Land. Aber mit einer privatisierten Autobahnfinanzierung werde die Ungerechtigkeit nochmals größer - denn bezahlen müssten für die damit verbundenen Renditeerwartungen die Autofahrer.

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