Ein Ende mit Schrecken für Gruevski?

In mazedonischer Krise ist ein Machtwechsel möglich

  • Thomas Roser, Belgrad
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Ende der Dauerkrise ist in Mazedonien zwar noch nicht in Sicht. Doch mehr als zwei Monate nach dem Patt bei den Parlamentswahlen zeichnet sich in dem seit elf Jahren von der nationalpopulistischen VMRO-DPMNE regierten Vielvölkerstaat ein Machtwechsel ab. Schon letzte Woche hatte Oppositionschef Zoran Zaev von der sozialdemokratischen SDSM erklärt, mit den Unterschriften der Abgeordneten der größten Albanerpartei DUI die von Staatschef Gjorge Ivanov geforderte Parlamentsmehrheit von mindestens 61 der 120 Abgeordneten hinter sich gebracht zu haben. Die neue Regierung könnte in den nächsten zwei Wochen gebildet werden. Am Wochenende bestätigte ein DUI-Sprecher die Unterstützung von Zaev. Mit den Unterschriften habe die DUI die Einhaltung der Fristen sichern wollen. Mit der endgültigen Entscheidung über einen etwaigen Regierungsbeitritt sei aber erst in den nächsten Tagen zu rechnen.

Schon seit gut zwei Jahren halten die Abgründe eines von der Opposition enthüllten Abhörskandals den angeschlagenen Balkanstaat fest im Krisengriff. Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Dezember hatten die bisherigen Regierungsparteien VMRO und DUI empfindliche Verluste hinnehmen müssen. Die VMRO des ins Visier der Justiz geratenen Dauerpremiers Nikola Gruevski konnte sich mit 51 von 120 Parlamentssitzen zwar knapp vor der SDSM (49 Sitze) als stärkste Kraft behaupten, doch scheiterte sie Ende Januar bei dem Versuch einer Regierungsbildung: Die zerrissene DUI konnte sich nicht durchringen, erneut mit dem völlig diskreditierten Gruevski ins Regierungsboot zu steigen.

Mit der DUI und der kleineren Albanerpartei Besa könnte Zaev eine neue Regierung bilden. Im Gegenzug gelobt seine SDSM, Albanisch zur zweiten Amtssprache zu machen. Die EU erwarte nun vom Präsidenten den Auftrag zur Regierungsbildung für den Kandidaten, der über eine Parlamentsmehrheit verfüge, fordert EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn: »Wechsel sind in einem demokratischen System natürlich und müssen als das Ergebnis glaubwürdiger Wahlen akzeptiert werden.« Doch ob Ivanov dem Appell aus Brüssel Gehör schenkt, ist noch keineswegs gewiss. Schon in der Vergangenheit zeigte sich der Staatschef als loyaler Erfüllungsgehilfe Gruevskis.

Im Frühjahr 2016 hatte Ivanov mit einer umstrittenen und später wieder kassierten Präventiv-Amnestie versucht, die ins Visier der Justiz geratenen VMRO-Politiker vor weiteren Ermittlungen zu schützen. Und nach dem Scheitern der erneuten Regierungsbildung durch Gruevski erteilte der Präsident zu Monatsbeginn nicht wie erwartet Zaev als Chef der zweitgrößten Partei das Mandat für Koalitionsverhandlungen, sondern stellte neue Bedingungen. Nur wer über die Unterschriften von mindestens 61 Abgeordneten verfüge und die Einheit des Staates bewahre, werde von ihm den Regierungsauftrag erhalten.

Mit Eskalation der politischen Spannungen droht nun der um seine Pfründen bangende Gruevski, der bei einer Verbannung von den Schalthebeln der Macht wohl auch um seine Freiheit zu fürchten hätte.

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