Wien will Wahlkampf für türkisches Referendum verbieten

Ansatzpunkt ist der Schutz der Menschenrechte - fraglich ist, ob Gesetzesänderung bis zum Referendum überhaupt kommen kann

  • Manfred Maurer, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.

Eigentlich ist es eine Phantomdiskussion. Denn während sich türkische Minister schon mehr oder weniger erfolgreich zum Werbefeldzug für die Einführung eines autoritären Präsidialsystems in ihrer Heimat nach Deutschland aufgemacht haben, ist in Österreich bislang kein türkischer Spitzenpolitiker angesagt. Es seien bislang keine solchen Auftritte geplant, sagt Fatih Karakoca, Chef des österreichischen Ablegers der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), die in Deutschland solche Werbeshows organisiert und 2014 auch für den damaligen Premier Recep Tayyip Erdogan eine Wahlkampfveranstaltung in Wien inszeniert hat.

Doch schon vor einer Woche hatte Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) wieder einmal seinen Riecher für ein Aufregerthema bewiesen und die gar nicht angekündigten türkischen Wahlkämpfer in Österreich für unerwünscht erklärt. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) zögerte zunächst und wollte sich »mit der Frage dann auseinandersetzen, wenn es ein entsprechendes Begehren gibt«. Denn: »Es macht keinen Sinn, hier Drohungen auszustoßen.« Ein paar Tage und Kurz-Schlagzeilen später befürwortete aber auch der Kanzler ein Auftrittsverbot für Erdogan & Co.

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat bereits konkrete Pläne für ein nationales Verbotsgesetz. »Wir brauchen eine wehrhafte Demokratie, man kann sich nicht von einem fremden Staat politische Auseinandersetzungen ins Land tragen lassen«, erklärte Sobotka am Dienstag und kündigte eine Änderung des Versammlungsgesetzes an.

Demnach soll es künftig möglich sein, Veranstaltungen zu untersagen, wenn dies dem Schutz der Menschenrechte diene und »wenn die öffentliche Ordnung und innere Sicherheit gefährdet sind«. Ein Ansatzpunkt ist, dass das Werben für ein autoritäres System, wie es Erdogan in der Türkei mit dem Referendum Mitte April durchsetzen will, als Verstoß gegen die in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschriebenen Grundrechte interpretiert wird.

Auf die Frage, ob er auch dem türkischen Präsidenten die Einreise verbieten würde, meinte Sobotka: »Wenn er als politischer Staatsgast kommt, ist er willkommen«, bei einem politischen Auftritt, gebe es mehrere Mittel, dies zu untersagen. Die SPÖ signalisiert bereits Zustimmung.

Juristen sind freilich noch skeptisch, ob ein Gesetz vor Höchstgerichten oder dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) halten würde. Der Verfassungsrechtler Theo Öhlinger etwa hält ein Auftrittsverbot für türkische Politiker nur dann für machbar, »wenn innerhalb der türkischen Minderheit in Österreich die Spannungen so steigen würden, dass wechselseitige Gewalttaten zu befürchten sind«.

Massive Spannungen dort sind unbestritten. Nach dem Putschversuch im vergangenen Juli gab es vereinzelt sogar gewalttätige Ausschreitungen von Erdogan-Fans gegen Kurden beziehungsweise Anhänger des von Ankara als Drahtzieher des Komplotts verdächtigten Predigers Fetullah Gülen. Noch jetzt klagen Gülen nahestehende Vereine, dass ihre Mitglieder unter Druck gesetzt und bedroht werden.

Fraglich ist auch, ob eine Gesetzesänderung im Eilverfahren bis zum Referendum in der Türkei überhaupt noch kommen kann. Vielleicht reicht aber auch schon der kundgetane Wille. Denn die UETD scheint es nicht auf eine Konfrontation angelegt zu haben. Ihr Vorsitzender Karakoca fände es zwar »nicht schlecht, wenn Erdogan nach Wien kommen könnte«, aber er betont auch, dass man einen unerwünschten Besuch nicht organisieren werde: »Wir leben in Österreich. Wenn es so ein Verbot gibt, dann müssen wir es beachten, das ist klar.«

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