Fernduell um Mazedonien

Großbritannien wirft Russland Einmischung vor

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 2 Min.

Mazedonien steckt in einer veritablen Staatskrise; und das seit mindestens zwei Jahren - um nicht zu sagen: seit Ausrufung der Republik 1991 nach dem Zerfall Jugoslawiens. Doch schon der vielstimmige europäische Chor, aus dem der aktuelle innere Zwist kommentiert wird, lässt erkennen, dass das Ländchen Mazedonien - kleiner und mit weniger Einwohnern als etwa das Land Brandenburg - offenbar zu einem der Ersatzschauplätze für die Auseinandersetzungen europäischer Mächte geworden ist.

Vordergründig geht es derzeit um die Weigerung des nationalkonservativen Staatspräsidenten Gjorge Ivanov, den Sozialdemokraten Zoran Zaev mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Zaevs Partei war zwar den Nationalkonservativen knapp unterlegen, könnte aber mit Hilfe dreier Kleinparteien der Minderheit der Albaner eine mehrheitsfähige Regierung bilden.

Dies wird von den Konservativen als Sündenfall begriffen, der die wacklige nationale Identität Mazedoniens zum Einsturz bringen könnte. Denn die Albano-Mazedonier verlangen einen Preis für die Mehrheitsbeschaffung - die Etablierung des Albanischen als zweite Staatssprache -, und Zaev hat seine Bereitschaft erklärt, diesen Preis zu entrichten. Deshalb blockt Ivanov. Verlöre er diesen Machtkampf, wäre das wohl auch sein Ende als Präsident.

Was ist daran nun für Brüssel, London oder Moskau so wichtig? Einfach gesagt, es hat mit russischem Erdgas zu tun, obwohl das sicher jede der erwähnten Parteien von sich weisen würde. Aber es ist nun mal so, dass die Gasleitung Turkish Stream von Russland über das Schwarze Meer, die Türkei und Griechenland, wollte sie weiter nach Norden auf dem Balkan, das Nadelöhr Mazedonien passieren müsste. Östlich davon ist mit Bulgarien und westlich mit Albanien, Kosovo eingeschlossen, für eine »russische« Pipeline unpassierbares NATO-Land.

Russische Politiker erklären derzeit, sie teilten Skopjes Sorgen vor einem Großalbanien. Mit Ivanov ist der Kreml damit im Einvernehmen, mit Zaev offenbar nicht. Der Ausgang des innermazedonischen Fingerhakelns entscheidet also auch über die Reichweite von Turkish Stream nach Norden. Dies erklärt manches an den Äußerungen aus NATO-Landen. Dass Europa auf dem Balkan angeblich gespalten werden soll, darüber erregt sich ausgerechnet Londons Außenminister Boris Johnson am lautesten. Der Brexit-Architekt warf Russland direkte Einmischung auf dem Westbalkan vor. Russland betreibe die »Untergrabung von Ländern auf dem Westbalkan«. Die eigentliche EU-Außensprecherin Federica Mogherini (Italien) bleibt im Ton moderater. »Meine Hauptsorge ist, dass dies zu einer Krise zwischen Volksgruppen wird«, wurde sie am Montag in Brüssel von AFP zitiert.

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