Politiker des Front National leugnet im TV den Holocaust

Ultrarechte Partei suspendiert südfranzösischen Regionalabgeordneten / Privatsender hatte Gespräch mit versteckter Kamera aufgenommen

  • Bernard Schmid
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf diese Negativschlagzeilen hätte die ultrarechte Front National (FN) im französischen Wahlkampf gerne verzichtet. In einer Sendung des Privatfernsehsenders C8 wurde am Mittwochabend ein mit versteckter Kamera aufgenommenes Gespräch zwischen Journalisten und einem Mitglied des Wahlkampfteams von Marine Le Pen ausgestrahlt. Es handelt sich um Benoît Loeuillet, den FN-Abgeordneten eines südfranzösischen Regionalparlaments, zudem ehemaliges Mitglied der rechtsradikalen »Identitären Bewegung« in Frankreich. In seinem Buchladen in Nizza vertreibt der Mann unter anderem Titel von Adolf Hitler und von Robert Faurisson, dem Pionier der zeitgenössischen Holocaustleugner in Frankreich. Während er ohne sein Wissen gefilmt wird, redet Loeuillet sich dabei um Kopf und Kragen: »Ich weiß nicht so genau, was ich zu der These der Geschichtsrevisionisten denken soll. Das ist kompliziert. Gut, nach allem denke ich, dass es nicht so viele Tote gegeben hat: Es hat nicht sechs Millionen gegeben.«

Noch im Laufe des Mittwochs – vor Ausstrahlung der Sendung – erklärte die FN-Spitze in Nanterre bei Paris, Loeuillet sei von seiner Parteimitgliedschaft »suspendiert«. Inhaltlich hatte Louillet allerdings nur in zum Teil wortidentischer Form wiederholt, was der Gründer und langjährige Vorsitzende der Partei zwischen 1972 und 2011 – Jean-Marie Le Pen – am 13. September 1987 zu bester Sendezeit im Fernsehen verkündet hatte. Dies hatte die Partei allerdings von vormaligen konservativen Bündnispartnern isoliert.

Die amtierende Parteiführung vertritt den Standpunkt, man müsse aus der Isolierung heraustreten und könne sich quasi alles erlauben – nur bloß nicht am Punkt der Judenverfolgung im 20. Jahrhundert rühren. Louis Aliot, Vizevorsitzender der Partei und Lebensgefährte von Marine Le Pen, prägte vor den Kommunalwahlen 2014 den Satz: »Unsere Diabolisierung (Verteufelung) hängt einzig und allein an der Verdächtigung des Antisemitismus. Es liegt nicht an Themen wie Islam, Immigration - da sind die anderen Parteien mittlerweile schlimmer als wir (sic!). Der einzige Sperrriegel ist dieser Verdacht des Antisemitismus.«

Auch die außerparlamentarische rechtsradikale »Identitäre Bewegung«, aus der Loeuillet kommt – er war ein Führungsmitglied ihres Ablegers in Nizza, »Nissa Rebela« unter Philippe Vardon, bevor der FN ihn auf seine Wahllisten übernahm und er 2015 der Partei beitrat – hat einen ähnlichen Kurs eingeschlagen. Bei einem europaweiten Konvent dieser Strömung verkündete sie 2009 in Orange von der Bühne herab: »Wir sind weder antisemitisch noch antizionistisch.«

Heute gilt expliziter Antisemitismus in der Öffentlichkeit sowohl beim FN als auch bei den »Identitären« als unpassend. Allerdings: Die Köpfe, die dem alten ideologischen Gebräu treu geblieben sind, werden nur notdürftig versteckt. Die wichtigste Figur dabei ist Frédéric Châtillon, dessen Name zwar nicht in den offiziellen Führungsstrukturen der Partei auftaucht, der jedoch mit seinem Security-Unternehmen als häufiger Vertragspartner des FN auftritt. Der Schattenpolitiker spielte eine Schlüsselrolle bei der teilweise illegalen Finanzierung der Partei vor den Wahlen von 2012 und steht deswegen seit 2015 vor Gericht. Châtillon, der nebenbei als Lobbyist für das syrische Regime von Baschar Al-Assad tätig ist, gehört auch zum persönlichen Umfeld von Marine Le Pen. Dies wurde 2003 kurzzeitig ins Licht der Öffentlichkeit gerückt: Polizisten waren nächtlich in Châtillons Wohnung eingetreten, um eine Party wegen Ruhestörung zu beenden – und dabei durch eine angetrunkene Marine Le Pen angepöbelt worden.

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