Gebrechliches Gesundheitswesen

Struktur- und Terminprobleme sollen laut Polens Regierung bald Geschichte sein

  • Wojciech Osinski, Warschau
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit Jahren müssen sich zahlreiche polnische Patienten bei ihren Fachärzten auf eine monatelange Wartezeit einstellen. Wer zeitnah und problemlos behandelt werden möchte, muss zumeist eine - gebührenpflichtige - private Sprechstunde in Anspruch nehmen. Das Gesundheitssystem in Polen hat zweifelsfrei viele Gebrechen. Gesundheitsminister Konstanty Radziwill hat deswegen Anfang des Jahres grundlegende Veränderungen angekündigt. »Es muss bei uns schon vieles im Argen liegen, wenn kranke Menschen trotz gesetzlicher Versicherung Angst vor einem Arztbesuch haben, weil sie sich diesen auf privater Ebene nicht leisten können«, ärgert sich der Politiker der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS).

Soweit die zutreffende Diagnose, auf die bisher beinahe jede Regierung bei Amtsantritt verwies. Berechtigte Zweifel kommen auf, wenn es um die Frage geht, ob die seit 2015 regierende PiS tatsächlich etwas verändern wird oder es lediglich bei wohlklingenden Ankündigungen bleibt. Ministerpräsidentin Beata Szydlo betonte, dass die Blaupause für die Reform schon seit Jahren vorbereitet »in ihrer Schublade« gelegen habe. Deshalb sei es wichtig, so schnell wie möglich mit der Umstrukturierung des Gesundheitssystems zu beginnen, so die polnische Regierungschefin.

Die größte Herausforderung stellt unzweifelhaft die geplante Abschaffung des Nationalen Gesundheitsfonds (NFZ) dar, der einzigen gesetzlichen Krankenkasse im Land an der Weichsel. Diese soll bis zum Jahr 2018 gänzlich aufgelöst werden. »Die Aufgaben des Fonds werden zum Teil direkt vom Gesundheitsministerium übernommen, für die übrigen entsteht eine neue Institution«, versichert Radziwill im Interview mit der Tageszeitung »Rzeczpospolita«. Wie es aus Regierungskreisen heißt, soll das Gesundheitsministerium künftig in verwaltungstechnischen Fragen von den ihm untergeordneten Ämtern in den einzelnen Woiwodschaften stärker entlastet werden.

Dass die Wartezeiten bei Fachärzten oft so lang sind und die Patienten trotz einer gesetzlichen Krankenversicherung zusätzlich für private Sprechstunden aufkommen müssen, liege nicht allein an unzureichenden finanziellen Mitteln, sondern vielmehr an der allgemein defizitären Organisation, so der Gesundheitsminister. Daher sollen polnische Patienten künftig gleich nach einem Krankenhausaufenthalt eine fachärztliche Betreuung bekommen, was bislang einem schier unmöglichem Unterfangen glich. »Patienten der Orthopädie und Kardiologie werden schon bald ohne größere Wartezeiten eine entsprechende Rehabilitationsbetreuung erhalten«, verspricht Radziwill.

Mögen viele Probleme letztlich auch durch die chaotische Koordination entstanden sein, die Reform wird dennoch teuer werden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Veränderungen im Gesundheitssystem größerer Steueraufwendungen bedürfen werden. Darüber hinaus soll die Situation in polnischen Krankenhäusern verbessert werden, die seit jeher an notorischem Personalmangel leiden.

Die Gesundheitsreform zielt jedoch insbesondere darauf ab, Wartezeiten bei den Fachärzten zu verkürzen und die Qualität der medizinischen Behandlung nicht nur zu gewährleisten, sondern zu erhöhen. Die ersten Verabschiedungen der vorliegenden Gesetzesentwürfe sollen bereits Mitte des Jahres erfolgen. Ministerpräsidentin Szydlo betonte, dass das Gesundheitsministerium vor einer enorm schwierigen Aufgabe steht: »Die Gesundheitsreform ist allem voran mit ganz besonderen Hoffnungen und Erwartungen der Gesellschaft verbunden. Wir sind uns der Verantwortung bewusst«, unterstrich sie im öffentlichen Sender TVP1.

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