Lange Gesichter und bange Fragen

Schadete der SPD die reale Aussicht auf Rot-Rot oder ihr mangelndes Bekenntnis dazu?

  • Tom Strohschneider, Berlin,
und Jörg Fischer, Saarbrücken
  • Lesedauer: 4 Min.

So einen Medienauftrieb gab es bei einer Landtagswahl im Saarland noch nicht. Vor der Saarlandhalle in der Landeshauptstadt parkten die Übertragungswagen sogar des russischen und spanischen Fernsehens sowie des arabischen Nachrichtsenders Al Jazeera. Insgesamt hatte der Landtag 1400 Akkreditierungen registriert, rund 100 mehr als vor fünf Jahren. Das Interesse erklärt sich aus den Spekulationen im Vorfeld, dass im Saarland die erste rot-rote Koalition Westdeutschlands möglich werden könnte. Umso ernüchterter klangen die Reaktionen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses am Abend. SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger räumte kurz und knapp ein: »Wir haben das Wahlziel leider nicht erreicht, das wir uns gesetzt haben.« Der Wahlabend sei aber noch lang, tröstete sie sich. Dann stürmte sie mit forschem Schritt und wehenden Haaren in den Landtag. Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, sagte im fernen Berlin: »Wir müssen feststellen, dass der Schulzzug in Saarbrücken nicht gehalten hat.«

Der Ausgang der Landtagswahl im Saarland hat eine doppelte Debatte über die politische Zugkraft ausgelöst - die von Martin Schulz und die der rot-roten Option. Zieht der SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz doch nicht so, wie vermutet? Und: Hat die durchaus realistische Wahrscheinlichkeit einer Regierungsbeteiligung der LINKEN unter dem Strich den Sozialdemokraten geschadet?

Diesen Eindruck suchten SPD-Politiker zu erwecken. SPD-Vize Ralf Stegner verwies im Kurznachrichtendienst Twitter auf einen »Sondereffekt Lafontaine«. Dieser werde bei der Bundestagswahl im Herbst keine Rolle spielen. Was Stegner meint, sprach Bundesjustizminister Heiko Maas aus: Die Person Lafontaine polarisiere unter den SPD-Anhängern, dies habe auf das Ergebnis der Sozialdemokraten durchgeschlagen, die weit unter den zuletzt geschürten Erwartungen blieben. »In den letzten Tagen ging es sehr stark um die Koalitionsfrage«, so Maas mit Blick auf viele Äußerungen über die Möglichkeit von Rot-Rot. »Und das hat uns scheinbar nicht geholfen.«

Anke Rehlinger nannte es »möglich«, dass ihre Partei wegen der unterschiedlichen Koalitionspräferenzen der Wähler »auch ein paar Prozentpünktchen« verloren habe. Ähnlich äußerte sich die Generalsekretärin der SPD, Katarina Barley, am Wahlabend. »Die, die Große Koalition wollten, haben CDU gewählt, und die, die Rot-Rot wollten, haben die Linken gewählt.«

Der Fraktionschef der LINKEN im Bundestag Dietmar Bartsch sagte, es handele sich »mit Sicherheit« um kein Misstrauensvotum für Rot-Rot. Fakt sei, dass die SPD viel schwächer abgeschnitten habe als selbst erwartet. Der Fraktionschef forderte die Sozialdemokraten auf, sich deutlicher programmatisch zu positionieren. »Man muss schon klarer sagen, was soll sich ändern im Land«, sagte er mit Blick auf SPD-Kanzlerkandidat Schulz, der die Koalitionsfrage offen lassen will. Die Linkspartei, das sei auch eine Lehre aus dem Saarland, müsse »viel Gewicht auf die Waage des Politikwechsels bringen«. Im Vorfeld der Wahl erhobene Zahlen geben den Analysen aus der SPD, es habe sich um einen Lafontaine- oder Rot-Rot-Effekt gehandelt, auch keine breitere Basis. Die Zahl der SPD-Anhänger, die Rot-Rot bevorzugt hätten, lag bei 50 Prozent - und damit deutlich höher als 2012. Auch insgesamt hatten 36 Prozent der Befragten erklärt, sie fänden eine Regierungsbeteiligung der Linkspartei »gut«, für ein westdeutsches Bundesland ein zweifellos hoher Wert.

Bei der Linkspartei herrschte über das Ergebnis Zufriedenheit - trotz der Verluste. Das kann sich im Westen sehen lassen, sagte Parteichef Bernd Riexinger. Bartsch erklärte, wenn man das Saar-Ergebnis im Herbst »bundesweit erreichen würde, wäre das klasse«. Bei den Wahlen 2012 hatte die Linkspartei noch 16,1 Prozent (9 Mandate) erhalten, 2009 waren es 21,3 Prozent (11 Mandate).

Bleibt die Frage, warum die in der SPD erhofften Effekte durch Martin Schulz ausgeblieben sind. Schulz selbst sagte am Abend, »da gibt es nichts zu beschönigen«. Man habe zwar aufgeholt, aber das Ziel für diesen Abend nicht erreicht. Er bleibe aber für den Bund optimistisch. Der SPD-Politiker Ulrich Kelber sagte, eine Wechselstimmung im Bund »sorgt leider nicht automatisch« für eine Wechselstimmung im Land. Generalsekretärin Barley wollte den Glauben noch nicht aufgeben. »Als Martin Schulz auf den Plan trat, da lagen wir noch fünf bis sechs Punkte hinter diesem Ergebnis.« Mit Agenturen

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