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Wegen einer deutschen Dummheit

Vor 100 Jahren erklärten die Vereinigten Staaten dem deutschen Kaiserreich den Krieg. Von Horst Diere

  • Horst Diere
  • Lesedauer: 3 Min.

Am 4. August 1914 proklamierte der US-amerikanische Präsident Woodrow Wilson die Neutralität der USA im gerade ausgebrochenen Ersten Weltkrieg. Rund zweieinhalb Jahre später, am 6. April 1917, verkündete derselbe den Kriegseintritt der ökonomisch stärksten imperialistischen Macht auf Seiten der Entente. Mit ihrer anfänglichen Neutralitätspolitik entsprach die Wilson-Administration einerseits der in der US-amerikanischen Öffentlichkeit verbreiteten Stimmung gegen eine Beteiligung am Krieg und räumte andererseits der einheimischen Wirtschaft die Möglichkeit zu profitablen Rohstoff- und Rüstungslieferungen formal an alle kriegführenden Staaten ein. Angesichts der britischen Blockade der deutschen Küsten lief das jedoch de facto auf Begünstigung der Ententestaaten hinaus. Das Geschäft mit dem Krieg boomte. US-Rüstungsindustrie und Großbanken strichen horrende Gewinne ein.

Bei der wirtschaftlich immer engeren Verzahnung der USA mit den Mächten der Entente konnte eine direkte Beteiligung der USA am Krieg auf Dauer jedoch kaum ausbleiben. Schon Ende 1916 hatte US-Staatssekretär Lansing in seinem Tagebuch notiert: »Diese Zeit kommt, und sie kommt wegen einer deutschen Dummheit ...« Den von den kriegsbereiten herrschenden Kreisen der USA erwarteten Anlass zum Eingreifen in Europa lieferte das deutsche Kaiserreich mit der Ankündigung des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs.

Schon als am 7. Mai 1915 ein deutsches U-Boot den englischen Passagierdampfer »Lusitania«, der im Vorschiff übrigens Waffen und Munition geladen hatte, ohne Warnung torpedierte und 1198 Menschen, darunter 128 US-Staatsbürger starben, rief dies in den USA große Erregung und den scharfen Protest Washingtons hervor. Um einen Bruch mit den USA zu vermeiden, ließ die deutsche Regierung den Handelskrieg mit U-Booten einschränken. Doch als sich im gleichen Jahr bei der Versenkung des englischen Passagierdampfers »Arabic« und 1916 bei der Torpedierung des französischen Kanaldampfers »Sussex« ähnliches wiederholte, drohten die USA mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Deutschland.

Je kritischer sich die Gesamtkriegslage für Deutschland und seine Verbündeten gestaltete, umso mehr drängte die deutsche Militärführung bei Kaiser Wilhelm II. und Reichskanzler Bethmann Hollweg darauf, alle Einschränkungen für den U-Boot-Krieg ohne Rücksicht auf einen eventuellen Kriegseintritt der USA aufzuheben. Im uneingeschränkten U-Boot-Krieg sah die Oberste Heeresleitung unter Generalfeldmarschall v. Hindenburg und General Erich Ludendorff das entscheidende Mittel, die »letzte Karte«, Großbritannien in die Knie zu zwingen und den Krieg doch noch siegreich zu beenden. Diese Illusion gründete sich auf die abenteuerlichen »Berechnungen« der deutschen Marineleitung, wonach die rund 100 deutschen U-Boote monatlich 600 000 BRT (Bruttoregistertonnen) Schiffsraum versenken würden und dadurch Großbritannien bereits nach fünf Monaten besiegt und zum Frieden gezwungen wäre. Die Auswirkungen eines Kriegseintritts der USA, womit man rechnen musste, schätzte man gering ein. So verbürgte sich der Chef des Admiralstabs, Henning v. Holtzendorff, dafür, dass kein Amerikaner das europäische Festland betreten würde.

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