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USA und Nordkorea brauchen Gespräche auf Augenhöhe

Was Kim von Saddam und Gaddafi gelernt hat

  • Daniel Kestenholz, Bangkok
  • Lesedauer: 4 Min.

In Nordkorea dürfte das Ende der diktatorischen Machthaber im nördlichen Afrika und Nahen Osten ein Lehrbeispiel dafür sein, wie der eigene Sturz zu vermeiden ist. Saddam Hussein hatte sich UN-Inspektionen gefügt und hatte sein Massenvernichtungspotenzial längst aufgegeben, als die USA zur Irak-Invasion ansetzten. Auch Libyens Führer Muammar Gaddafi hatte der freiwilligen Entwaffnung und Entnuklearisierung zugestimmt. Beim NATO-Einmarsch im Jahr 2011 verfügte Gaddafi über keine wirklichen Abschreckungsmittel mehr. Noch an der Macht ist, wer sich nicht westlichen Auflagen fügte - wie der syrische Präsident Baschar al-Assad.

Nordkoreas Führung um Kim Jong Un wird sich hüten, die »Fehler« von Saddam Hussein und Muammar Gaddafi zu begehen. Als die US-Amerikaner eine US-Flotte in Richtung koreanischer Halbinsel losgeschickt haben, bestätigte US-Außenminister Rex Tillerson, die »Entnuklearisierung« Nordkoreas habe Priorität. Wie die vonstatten gehen soll, davon hat wohl auch Tillerson noch nicht die geringste Ahnung. Weder wird sich Nordkorea UN-Inspektionen und -sanktionen fügen, noch wird Pjöngjang eine rote Linie überschreiten, die von den USA als Vorwand für militärische Gegenmaßnahmen genutzt werden könnte.

Der neuerliche Giftgasangriff in Syrien stellte so eine Überschreitung einer roten Linie dar, was US-Präsident Donald Trump als Berechtigung für Raketenangriffe auf eine syrische Luftwaffenbasis diente. Dabei ist weiterhin nicht bewiesen, wer das Giftgas eingesetzt hatte - ob syrische Regierungstruppen oder Rebellen, die sich im Gebiet unter massivem Druck auf dem Rückzug befinden.

Tatsache ist: Nordkoreas martialische Drohpolitik hat System. Es ist Pjöngjangs Methode, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und Gespräche zu erzwingen. Je länger direkte Gespräche ausstehen, umso mehr erstarkt Pjöngjang und die Außenwelt spekuliert, über welcherlei »Abschreckung« Nordkorea verfügt. Sogenannte Experten nennen Zahlen, wie viel angereichertes waffenfähiges Nuklearmaterial und wie viele Atomsprengköpfe Nordkorea besitzen könnte. Dabei ist unklar ist, in welchen Stadien sich Pjöngjangs Uran- und Plutonium-Bomben-Programme befinden.

Dabei hatte Nordkorea noch im Jahr 2007 UN-Inspektoren Zutritt zu seinen Yongbyon-Nuklearforschungsanlagen gewährt. Am 27. Juni 2008 zerstörte Nordkorea vor laufenden Kameras der Weltmedien den Kühlturm des Hauptreaktors. Doch die Spannungen zwischen Pjöngjang und Washington wuchsen wieder, beide Seiten bezichtigten sich der Lüge. Im April 2009 wurden UN-Inspektoren aus dem Land geschasst und Nordkorea hat angeblich die Anreicherung von Plutonium wieder aufgenommen.

Was man weiß ist allein, dass Nordkorea seit Oktober 2006 fünf Atomwaffentests durchgeführt hat, die teilweise jedoch fehlschlugen oder von geringer Sprengkraft waren. Der vierte Test im Januar 2016 mit einer Sprengkraft von 10 Kilotonnen soll Pjöngjang zufolge eine Wasserstoffbombe gewesen sein.

Dieses Abschreckungspotenzial ist es, mit dem Nordkorea Anrainer und insbesondere die USA in Schach hält. Die geografische Lage der südkoreanischen Millionenmetropole Seoul - nur 60 Kilometer von der Entmilitarisierten Zone (DMZ) entfernt - macht das Land für einen Angriff mit konventionellen Waffen höchst verwundbar, was die Risiken bei einem präventiven Militärschlag gegen Nordkorea überproportional erhöhen würde. Pjöngjang erinnert auch gerne an seine angeblichen Fähigkeiten, Seoul dem Erdboden gleichmachen zu können.

Hinzu kommt die unbedingte Aufopferungsmentalität der nordkoreanischen Bevölkerung für Staat, Führer und Revolution, was den Funktionären und Untertanen des Regimes von der Wiege an eingeimpft wird.

Außer Gesprächen und Engagement bleibt dem US-Präsidenten eigentlich keine vernünftige Option. Auch wenn er unlängst sagte, Amerika werde das Nordkorea-Problem selber lösen, wenn China nicht helfe, hat Trump lediglich eine Auswahl »lausiger Optionen«, um das Nordkorea-Problem zu »lösen«. So urteilt das Zentrum für Strategische und Internationale Studien.

Sanktionen greifen nicht. Allein im vergangenen Jahr testete Nordkorea 24 Raketen, deren Reichweite sich erhöhte. Sie können mehr Gewicht tragen. Angeblich verfügt man auch über anwendungsbereite kleine Sprengköpfe und hat deren »Überlebensproblem« beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre gelöst.

Dieses Drohpotenzial garantiert dem nordkoreanischen Regime Sicherheit. Unterwirft sich Kim Jong Un internationalen Inspektionen und Abrüstung, fürchtet er ein ähnliches Schicksal wie die Despoten Saddam und Gaddafi. Angesichts der »befreiten«, doch gescheiterten Staaten Irak und Libyen ist mit etwas strategischem Denken leicht vorauszusehen, welche Sicherheitsprobleme, Aufbaukosten und möglichen Flüchtlingsströme im Falle eines Falls von Nordkorea auf die internationale Gemeinschaft zukämen.

Trump, der sich selber bekanntlich als begnadeten Verhandler betrachtet, hatte in der Vergangenheit den Wunsch geäußert, mit Kim im Weißen Haus Hamburger zu essen. »Engagement«, so lautet das Schlüsselwort. UN-Inspektionen, die Pekinger Sechsergespräche, Sanktionen und Obamas Politik der »strategischen Geduld«, alle Ansätze sind gescheitert. Nordkorea will Direktgespräche mit den USA.

Indem Trump mit Kriegsschiffen vor der koreanischen Halbinsel eine Drohkulisse militärischer Abschreckung aufbaut, kann daraus sehr wohl eine Bühne für Gespräche entstehen. Kim und dessen innerer Zirkel, das sind keine Verrückten. Die wissen genau, wie weit sie gehen können. Trump und Kim, beide plustern sich auf. Doch nur auf Augenhöhe könnte es zu ersten ernsthaften Kontakte kommen.

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