DAX-Konzerne schwimmen im Geld

Deutsche Großunternehmen horten Milliardensummen - Investitionen im Inland scheinen wenig lukrativ

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Berichtssaison neigt sich dem Ende zu. Die meisten der großen Aktiengesellschaften in Deutschland haben ihre Bilanzen für 2016 inzwischen veröffentlicht. Bisheriges Fazit: Es war ein erfolgreiches Jahr. Viele DAX-Konzerne vermeldeten Rekorde beim Umsatz, der Gewinn stieg um ein Viertel. Im Deutschen Aktienindex, kurz DAX, sind die 30 größten Aktiengesellschaften »gelistet«, die an der Deutschen Börse in Frankfurt am Main notiert sind. Die meisten dieser Konzerne befinden sich übrigens mehrheitlich im Eigentum ausländischer Aktionäre.

DAX-Konzerne werden wegen der hohen Gewinne in diesem Frühjahr Rekorddividenden an ihre Aktionäre ausschütten. Fast 32 Milliarden Euro stehen laut Medienberichten dafür bereit. Besonders zahlungsfreudig sind Versicherer, Autokonzerne wie BMW und Daimler sowie Immobilienunternehmen wie Vonovia. Selbst Krisenkonzerne wie Deutsche Bank und Volkswagen beglücken ihre Anteilseigner mit Dividendenzahlungen. Doch die Einkommenssituation ist seit Jahren so gut, dass die Kassen der Konzerne trotz der Rekordausschüttungen gut gefüllt sind. Die DAX-Unternehmen verfügen über »liquide Mittel« von schätzungsweise mehr als 90 Milliarden Euro. Darunter versteht man nicht investierte Gewinne, die ein Unternehmen quasi auf dem Bankkonto oder in Finanzanlagen parkt.

Selbst dort, wo die Geschäfte unrund laufen, zeigt sich die Kapitalstärke so manches Großunternehmens. Auf dem Höhepunkt der Stahlkonjunktur im Jahr 2005 hatte Thyssen-Krupp beschlossen, in dem Niedriglohnland Brasilien Rohstahl zu produzieren und die Brammen in einem neuen Werk in den USA weiterzuverarbeiten. Der Plan ging schwer daneben. Nach dem Verkauf der beiden Werke bleibt unterm Strich ein Verlust von acht Milliarden Euro. Deutsche Bank, RWE oder Reedereien steckten ebenfalls milliardenschwere Verluste dank der vorhandenen liquiden Mittel offenbar einfach so weg.

Wie kapitalstark große Unternehmen sind, zeigt sich auch außerhalb der Börsen. So wurde am Montag bekannt, dass Metro-Großaktionär Haniel über eine Kriegskasse von einer Milliarde Euro verfügt. Für Zukäufe. Durch eine »Diversifikation« soll das Portfolio der Duisburger Familienholding auf eine breitere Basis gestellt werden.

Doch obwohl es den meisten Unternehmen derzeit blendend geht, investieren deren Manager zu wenig. Gesättigte Märkte und eine weiterhin schwache Binnennachfrage vermiesen den Vorständen die Expansionslust und hindern sie an Investitionen. Stattdessen setzen viele auf Effizienz- und Kostensparprogramme. Die globalen Unsicherheiten erhöhen die Sparneigung.

Damit befördert die Wirtschaft noch den Leistungsbilanzüberschuss der Bundesrepublik, der zu den Verwerfungen in der Eurozone beigetragen hat und auch von US-Präsident Donald Trump kritisiert wird. Auf Dauer gefährdet die »Investitionsträgheit« - wie es Ökonomen nennen - die Produktivitätsentwicklung und damit die Volkswirtschaft insgesamt.

Verstärkt wird dieser Trend durch die im internationalen Vergleich hohe Sparneigung der Verbraucher und des dritten volkswirtschaftlichen »Sektors«, des Staates. Der sitzt sogar auf Finanzierungsüberschüssen. Was vielfach gelobt wird, ist in Wirklichkeit problematisch, wie Martin Höpner in einem Beitrag für das Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung erläutert: »Es muss nämlich stets einen Sektor geben, der die Ersparnisse der anderen Sektoren aufnimmt, also: der sich seinerseits verschuldet.« Und investiert.

Belastend wirkt ein weiterer Trend: Wenn große Unternehmen investieren, dann verstärkt außerhalb der Landesgrenzen. »Die Auslandsinvestitionen der deutschen Indus-trieunternehmen werden 2017 so hoch wie nie zuvor ausfallen«, erwartet Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Das ist das Ergebnis einer Befragung von 2500 Betrieben. Es sind demnach sogar noch mehr Industrielle als im Vorjahr, die Auslandsinvestitionen planen. So sei der Anteil der Unternehmen, die im Ausland Projekte planen, auf ein Rekordniveau gestiegen: Nachdem er 2016 noch 47 Prozent betragen habe, liege er nunmehr bei 49 Prozent. »Auch die dafür eingesetzten Budgets entwickeln sich weiter expansiv«, erläutert Treier weiter. Fast jedes dritte »auslandsaktive« Unternehmen plane aktuell höhere Ausgaben als im Vorjahr.

Die Gründe sind vielfältig: Sie reichen von der anziehenden Weltkonjunktur über hohe Kosten im Inland bis zum Mangel an qualifiziertem Personal. Auch die Energie- und Rohstoffpreise gelten als Risiko. Im Regelfall sollen mittels Auslandsinvestitionen aber die Produktionskosten gesenkt und neue Märkte im Ausland erschlossen werden.

In bescheidenem Umfang stärken Auslandinvestitionen allerdings heimische Arbeitsplätze. Für das Inland rechnet der DIHK in diesem Jahr mit 20 000 zusätzlichen Industriearbeitsplätzen, die dadurch entstehen, dass Betriebe durch Auslandsinvestitionen ihre Position auf dem Weltmarkt stärken.

Als Ziel deutscher Auslandsinvestitionen rückt die Eurozone immer stärker in den Mittelpunkt. Spanien, Irland oder auch Litauen und Slowenien entwickeln sich »dynamisch«. Zur Renaissance des Produktionsstandorts Europa trägt nach Treiers Einschätzung der günstige Wechselkurs bei. Den verdankt die Wirtschaft der Europäischen Zentralbank, die mit ihrer Geldschwemme den Eurokurs nach unten drückt. Auf diese Weise werden Investitionen im eigenen Währungsraum günstiger. Nur in Deutschland wollen die DAX-Konzerne nicht recht investieren.

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